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Renegade

Renegade

Titel: Renegade
Autoren: J. A. Souders
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machen uns auf den Weg in die Dunkelheit.
    Schnell wird klar,
dass es keine gute Idee ist, hinter Gavin zu gehen. Der Drang, ihn in den
Rücken zu schießen, ist einfach zu stark. Noch habe ich mich unter Kontrolle,
doch ich beschließe trotzdem, wieder vorauszugehen, und dränge mich an ihm
vorbei.
    Wenig später
erreichen wir einen Fahrstuhl, der uns nach unten bringen soll, doch ich bleibe
zweifelnd stehen, während Gavin das Schutzgitter öffnet. Als ich ihm nicht in
die Kabine folge, zögert er.
    Â»Was ist los?«,
fragt er und schiebt seinen Rucksack zurecht.
    Â»Wie soll der Aufzug
ohne Strom funktionieren?«
    Sein Lachen klingt
mehr wie ein Stöhnen. »Richtig, ganz vergessen.« Er wirft einen Blick auf die
Karte. »Offenbar gibt es dort drüben ein Treppenhaus.« Er zeigt auf eine Tür,
die nur wenige Meter entfernt ist.
    So leise und
vorsichtig wie möglich schleiche ich zu der Tür und öffne sie. Meine
Vollstreckerinneninstinkte arbeiten auf Hochtouren, als ich mich hindurchschiebe
und Gavin signalisiere, mir zu folgen. Obwohl wir uns alle Mühe geben, leise zu
sein, hallen unsere Schritte in dem engen Raum laut wider, und es überrascht
mich wirklich, dass wir keinem von Mutters Experimenten in die Arme laufen.
Gleichzeitig beunruhigt es mich zutiefst, dass wir niemandem begegnen.
    Endlich erreichen
wir das unterste Stockwerk und betreten einen Korridor, der noch dunkler ist
als die oben. In dieser Finsternis kann selbst ich im wahrsten Sinne des Wortes
nicht mehr die Hand vor Augen sehen. Doch ich brauche meine Augen nicht, um zu
erkennen, dass wir hier keiner Menschenseele begegnen werden. Ich kann es
riechen. Fleisch. Und Blut. Viel Blut.
    Â»Evie«, flüstert
Gavin.
    Â»Alles okay«,
antworte ich und schalte die Taschenlampe ein, die an meinem Gürtel befestigt
ist.
    Â»O mein Gott«,
stöhnt Gavin und würgt.
    Nicht einmal ich
kann ihm das verübeln. In dem Korridor stapeln sich Leichen. Überall auf dem
Boden sind halb eingetrocknete Blutlachen zu sehen. Wände und Decken sind rot
gesprenkelt. Wie klebriger Regen tropft das Blut von der Decke.
    Mir läuft es kalt
den Rücken hinunter, als irgendwo vor uns jemand lacht. Doch so weit reicht der
Kegel meiner Taschenlampe nicht.
    Ich hole einmal tief
Luft und gehe weiter, wobei ich versuche, möglichst nicht auf einen der Körper
zu treten. Meine Füße lösen sich schmatzend von den Blutlachen. Es sind so
viele Leichen, dass wir fast zehn Minuten brauchen, bis wir sie passiert haben.
    Gavin bahnt sich
mithilfe des Lichts von der holografischen Karte einen Weg. Als wir dieses
Schlachtfeld endlich hinter uns haben, ist auch mir schwindelig, und ich bin
schweißnass, aber ich darf mir nichts anmerken lassen.
Schwäche ist inakzeptabel. Eine Schmach.
Ein Makel, der ausradiert werden muss.
    Wieder hallt dieses
Lachen durch den Korridor, doch diesmal nehme ich auch noch andere Geräusche
wahr: knirschende Schritte, Stimmen. Ist es mehr als eine Person? Ich meine
sogar Gesang zu hören.
    Ich richte den
Lichtstrahl nach vorne aus und halte Augen und Ohren offen. Wer auch immer dort
ist, er ist nicht bei klarem Verstand. Und wenn man bedenkt, was mit den
Menschen passiert ist, die wir gerade gesehen haben, ist er auch nicht
besonders freundlich.
    Bei jeder neuen
Abzweigung tippt Gavin mir auf die Schulter und zeigt mir an, in welche
Richtung wir müssen, und so landen wir schließlich wieder vor einer Tür. Sie
ist halb geöffnet. Was für ein Glück , denke ich noch,
bis ich sehe, dass die Tür sich nicht schließen lässt .
    Die Leiche eines
kleinen Mädchens in Vollstreckerinnenuniform blockiert die Tür. Sie liegt in
einer riesigen Pfütze aus Blut. Und sie ist jung. Weit jünger als ich. Ist
Mutter jetzt schon so verzweifelt, dass sie sie noch früher heranzieht?
    Ich unterdrücke ein
Würgen und steige über sie hinweg. Gavin folgt mir, allerdings bemerke ich,
dass er beim Anblick der Vollstreckerin nicht einmal mit der Wimper zuckt. Aus
irgendeinem Grund macht mich das wütend. Ihr Alter sollte ihn ebenso schockieren
wie mich.
    Ich unterdrücke den
Impuls, ihm diesen Vorwurf entgegenzuschleudern. Diese Verbundenheit empfinde
ich doch nur wegen der Konditionierung, rufe ich mir ins Bewusstsein. Gavin
sagt nur deshalb nichts, weil uns das nicht weiterhilft. Wenn wir um jeden
Toten hier trauren, würde das alles nur noch
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