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Rendezvous mit Rama

Rendezvous mit Rama

Titel: Rendezvous mit Rama
Autoren: Arthur C. Clarke
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reagiert. Das klang ja eigentlich recht zuversichtlich. Wenn Rama seine Schwenkung beenden würde, dann würde Norton wirklich beginnen, sich Sorgen zu machen.
    Alle Bioten waren jetzt verschwunden, wie Pieter von der Nabe berichtete. In der ganzen Innenwelt Ramas gab es nun nur noch eine Bewegung, die der menschlichen Wesen, die mit schmerzlicher Langsamkeit die gekrümmten Hänge der Nordkuppel emporkletterten.
    Norton hatte die Schwindelgefühle längst überwunden, die er beim ersten Anstieg empfunden hatte, nun nistete eine völlig neue Furcht in seinem Inneren. Sie alle waren hier außerordentlich verletzlich - auf dieser riesigen Kletterpartie von der Ebene bis zur Nabe; was würde passieren, wenn Rama, nachdem er seine Positionsänderung vollzogen hatte, plötzlich beschleunigen würde?
    Aller Voraussicht nach würde der Schub sich längs der Achse auswirken. Wenn dies in nördlicher Richtung stattfand, wäre das kein Problem. Sie würden einfach nur ein bisschen stärker gegen den Hang gepresst, den sie gerade hinan stiegen. Doch wenn der Schub südwärts erfolgte, dann würden sie möglicherweise in den Raum hinausgeschleudert werden und eventuell irgendwann auf die unter ihnen liegende Ebene fallen.
    Norton versuchte sich mit dem Gedanken zu trösten, dass jede mögliche Beschleunigung ja nur sehr schwach sein konnte. Die Berechnungen Dr. Pereras hatten höchst überzeugend geklungen: Rama konnte kaum mit mehr als einem fünfzigstel g beschleunigen, oder die Zylindrische See würde über die Südklippe hinüberschwappen und einen ganzen Kontinent überfluten. Aber Perera hatte in seinem bequemen Studienzimmer drunten auf der Erde gesessen. Ihn bedrohten nicht kilometerhohe Metallklippen, die allem Anschein nach jederzeit herunterstürzen konnten. Und vielleicht war ja eine periodische Überflutung in Rama eingeplant...
    Nein, das war einfach lächerlich. Absurd, sich einzubilden, dass all diese Trillionen Tonnen von Masse sich plötzlich beschleunigen könnten, und zwar so stark, dass er, Norton, den Halt verlor. Trotzdem ließ Norton für den Rest des Anstiegs das Geländer niemals los.
    Endlos viel später endete die Treppe; jetzt waren nur noch ein paar hundert Meter senkrechter Leiter zu überwinden. Es war nicht mehr nötig, diese Leiter hinaufzuklettern, denn ein Mann an der Nabe konnte ganz leicht einen anderen gegen die abnehmende Schwerkraft emporziehen. Selbst am Fuß der Leiter wog ein Mann weniger als fünf Kilo und oben praktisch gar nichts.
    Norton entspannte sich in der Sitzschlinge, griff von Zeit zu Zeit nach den Handgriffen, um den schwachen Corioliseffekt auszugleichen, der ihn von der Leiter wegzudrängen suchte. Bei diesem letzten Blick auf Rama vergaß er beinahe seine verkrampften steifen Muskeln.
    Das Licht war jetzt etwa so hell wie bei Vollmond auf der Erde; die Szenerie war klar zu übersehen, doch kleinere Einzelheiten konnte er nicht mehr erkennen. Der Südpol war teilweise hinter einem leuchtenden Nebel verborgen - nur das Große Horn drang durch ihn hindurch: ein kleiner schwarzer Punkt genau ihm gegenüber.
    Der sorgfältig kartografierte und doch immer noch unbekannte Kontinent jenseits der See war wieder das anscheinend zufällige Flickmuster wie zuvor. Er war zu stark verkürzt und wies zu viele komplizierte Details auf, als dass die visuelle Prüfung ergiebig gewesen wäre, und Norton überflog den Bereich nur mit einem kurzen Blick.
    Seine Augen glitten rings um dies kreisförmige Band der See, er bemerkte zum ersten Mal ein reguläres Muster von unruhigem Wasser. Es war, als ob die Wellen über Riffe brächen, die in geometrisch genauen Abständen angeordnet waren. Ramas Manöver zeigte seine Auswirkungen, allerdings waren sie nur geringfügig. Er war sicher, dass Sergeant Barnes unter diesen Umständen mit Vergnügen über die Zylindrische See gesegelt wäre, hätte er sie gebeten, mit ihrer verlorenen Resolution loszufahren.
    New York, London, Paris, Moskau, Rom ... er sagte all den Städten auf dem Nordkontinent Lebewohl und hoffte, die
    Ramaner würden ihm vergeben, wenn er irgendwo Schaden angerichtet hatte. Vielleicht würden sie ja Verständnis dafür aufbringen, dass alles aus wissenschaftlichem Interesse geschehen war.
    Dann war er plötzlich bei der Nabe angekommen; Hände griffen eifrig nach ihm, um ihm zu helfen und ihn rasch durch die Luftschleuse zu befördern. Seine überanstrengten Arme und Beine zitterten so unkontrolliert, dass er beinahe hilflos war,
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