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Rendezvous mit Rama

Rendezvous mit Rama

Titel: Rendezvous mit Rama
Autoren: Arthur C. Clarke
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bemerkbar gemacht hatten, so waren doch keine weiteren außergewöhnlichen Erscheinungen aufgetreten, und es gab noch immer genügend Licht. Sie begannen sich besser zu fühlen, brachten mehr Optimismus auf, ja sie fragten sich sogar, ob sie nicht vielleicht zu früh fortgegangen seien. Immerhin, eines stand fest: Sie würden nicht zurückkehren. Sie alle hatten zum letzten Mal den Fuß auf den Boden Ramas gesetzt.
    Es war während ihrer zehnminütigen Pause auf der vierten Plattform, dass Joe Calvert plötzlich ausrief:
    »Was hat dieser Lärm zu bedeuten, Skipper?«
    »Lärm? - Ich kann nichts hören.«
    »Ein Hochfrequenzpfeifen - die Frequenz sinkt. Sie müssen es doch hören!«
    »Ihre Ohren sind jünger als meine ... Ach ja, jetzt höre ich es.«
    Das Pfeifen schien aus allen Richtungen zu kommen. Bald war es zu großer Lautstärke angeschwollen, war fast durchdringend, verlor aber bald an Höhe. Dann brach es plötzlich völlig ab.
    Ein paar Sekunden später kam es erneut und wiederholte die gleiche Sequenz; das Signal enthielt alles, was man an melancholisch jaulenden Sturmsirenen von einem Leuchtturm auf der Erde gewohnt war, die ihre Warnungen in eine nebelverhangene Nacht hinaus senden. Es war eine Botschaft, und sie musste dringend sein. Sie war nicht für ihre menschlichen Ohren bestimmt, aber sie konnten sie verstehen. Und dann - wie um doppelt sicherzugehen - wurde die Warnung durch die Sonnen in Rama noch einmal visualisiert.
    Sie verdunkelten sich, verloschen nahezu völlig. Dann begannen sie zu pulsieren. Hell leuchtende Kugeln rasten wie Kugelblitze die sechs schmalen Täler entlang, die einst die Sonnen dieser Welt gewesen waren. Die Kugelblitze wanderten von beiden Polen weg auf die See zu. Sie pulsierten in einem synchronisierten Rhythmus, der nur eines bedeuten konnte: »Zur See!« Und die Aufforderung war so stark, dass man sich ihr nur schwer entziehen konnte. Keiner der Männer entging dem Zwang, sich umzuwenden und Vergessen in den Wassern Ramas zu suchen.
    »Nabenkontrolle!«, rief Norton dringlich. »Können Sie verfolgen, was los ist?«
    Pieters Stimme kam zu ihm zurück. Sie klang ehrfürchtig und mehr als nur etwas angstvoll.
    »Ja, Skipper. Ich habe gerade den Südkontinent in der Linse. Dort drüben wuseln immer noch zig Bioten herum. Ein paar davon sind ziemlich groß. Kräne, Bulldozer - Mengen von Mülltypen. Und sie alle rasen auf die Zylindrische See zu, mit einer Geschwindigkeit, wie ich sie bei ihnen bisher noch nicht erlebt habe. Da verschwindet ein Kran - schwupps, über die Böschung! Genau wie Jimmy, bloß ein bisschen schneller, na, ziemlich viel schneller! ... Er ist in Trümmer zersplittert, als er aufprallte ... Und jetzt kommen die Haie - sie machen sich über ihn her - brrr, kein schöner Anblick.. .Jetzt habe ich die Ebene im Visier. Da liegt ein Bulldozer, der anscheinend eine Panne hat... er dreht sich beständig im Kreis. Jetzt wird er von ein paar Krebsen attackiert, die ihn in Stücke zerlegen ... Skipper, ich glaube, Sie machen sich am besten sofort auf den Heimweg.«
    »Glauben Sie mir«, sagte Norton mit Nachdruck, »wir kommen so rasch, wie es nur geht.«
    Rama machte die Luken dicht wie ein Schiff, das sich auf einen Sturm vorbereitet. Dieser Eindruck drängte sich Norton zwingend auf. Allerdings hätte er keine logische Erklärung dafür finden können. Er empfand sich nicht mehr als ein rationales Wesen: In seinem Inneren lagen zwei widersprüchliche Kräfte miteinander im Streit. Der Zwang zur Flucht und der Wunsch, jenen Blitzentladungen zu folgen, die noch immer über den Himmel huschten und die ihn aufforderten, sich zu den Bioten zu gesellen und wie sie auf die See zuzumarschieren.
    Noch eine Sektion der Treppenkonstruktion - wieder zehn Minuten Pause, damit die Gifte Gelegenheit hatten, aus seinen Muskeln zu verschwinden noch zwei Kilometer vor ihnen ... Aber lasst uns bloß nicht daran denken ...
    Die wahnsinnige Sequenz fallender Pfeiftöne hörte ganz plötzlich auf. Im gleichen Augenblick stellten die Feuerbälle, die bisher durch die geraden Täler auf die See zupulsiert waren, ihre Bewegung ein. Wieder waren die sechs linearen Sonnen Ramas durchgehende Lichtbänder.
    Aber diese Lichtbänder nahmen rasch an Helligkeit ab, zuckten zuweilen. Von Zeit zu Zeit wurden unterirdische Beben spürbar. Die Brücke berichtete, dass Rama noch immer mit unmerklicher Langsamkeit hin und her schwinge - wie eine Kompassnadel, die auf ein schwaches Magnetfeld
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