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RENAS VERSPRECHEN (German Edition)

RENAS VERSPRECHEN (German Edition)

Titel: RENAS VERSPRECHEN (German Edition)
Autoren: Rena Kornreich Gelissen , Heather Dune Macadam
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sie.
    Mama starrte voller Verwunderung auf das Geld. „Du bist ein Wunder, Rena. Selbst in all dem Elend schaffst du es, diejenigen freundlich zu stimmen, die uns normalerweise voll Grausamkeit behandeln.“ Sie umarmte ihre Tochter und versteckte die Münzen in der Teekanne, in der alles Wertvolle aufbewahrt wurde.
     
    Anfang November erging der Befehl, dass die Thora, der Talmud und alle heiligen Bücher verbrannt werden müssen, und alle Männer wurden gezwungen, ihre Folianten herbeizubringen. Für Menschen, die nicht nur tief religiös, sondern auch gelehrt waren, war dieser Befehl nicht nachvollziehbar. Der Tempel wurde einfach geschlossen, und sämtliche Bücher, die innerhalb seiner Wände aufbewahrt wurden, landeten auf der Strasse. Frauen und Kinder jammerten in ihren Häusern, als die Juden von Tylicz sich vor ihrer Synagoge versammelten. Rena, Danka und Mama sassen wartend und für Papas Heimkehr betend auf den Stufen ihres Bauernhauses.
    „Aufstellen!“ Ein grosser deutscher Offizier bellte seine Befehle. Ganz benommen stellten sich Chaim Kornreich und die anderen Männer nebeneinander vor dem Hügel aus Anmachholz und Manuskripten auf.
    „Es verstösst gegen unsere Politik, dass Juden diese lächerlichen Locken und Bärte tragen. Jeder Mann in dieser Reihe wird rasiert oder erschossen!“
    Wie eine Horde mit Schnappmessern bewaffnete Jugendliche schwangen die Soldaten die Scheren und befahlen den Männern, ihre Hüte abzunehmen. Dann schnitten sie ihnen ganz systematisch die Ohrlocken und Bärte ab.
    Ein deutscher SS-Mann entzündete eine Fackel, und im Nu machten sich wütende Funken daran, ihr schriftliches Vermächtnis niederzubrennen. „Es ist euch von jetzt an nicht mehr erlaubt, egal zu welchem Zweck, zu beten oder den Tempel zu betreten!“ Die neueste Liste mit Bekanntmachungen wurde über dem brennenden Scheiterhaufen verlesen. „Es ist gegen die Vorschriften, den jüdischen Sabbat zu feiern und am Freitagabend Kerzen zu entzünden.“ Hilflos sahen Chaim Kornreich und die anderen zu, wie ihre Geschichte von den Flammen verschlungen wurde.
     
    Ein paar Tage danach hörte Rena die vertraute Stimme von Offizier Hans Joksch an ihrem Fenster. Sie händigte ihm die Kissenbezüge aus, die er bestellt hatte. Dabei war sie sorgfältig darauf bedacht, ihre Augen respektvoll zu senken. Dem Offizier, der neben ihr stand, nickte sie höflich zu.
    „Laden sie uns doch zu sich nach Hause ein, Rena“, sagte Offizier Joksch.
     
    Seine Bitte brachte alles durcheinander. Wie hätte ich nein sagen können ? Er schien ein netter Mann zu sein, aber er gefährdete unser Leben, wenn er unser Haus betrat. Ich kam nicht umhin, ein anderes Motiv dahinter zu vermuten, aber wer hätte seinen eigentlichen Grund ahnen können?
    Rena rannte durchs Haus, um ihre Eltern zu warnen. Mit über den Augen gefalteten Händen, betete Mama: „Herr Gott, mein Herr, beschütze uns.“ Dann nahm sie ihren Platz im Wohnzimmer ein und fasste sich in zermürbendes Schweigen.
    OffizierJoksch und sein Freund benahmen sich ganz zwanglos und erkundigten sich, ob es im Haus ein Grammophon gab.
    „Nein“, entgegnete Rena schnell, zu schnell.
    „Ich wette, Sie sind eine gute Tänzerin, Rena.“
    „So la la.“ Sie starrte zu Boden.
    „Nun, würden Sie mit mir tanzen, wenn mein Freund etwas pfeift?“
    Sie warf einen Blick auf die kreidebleichen Gesichter ihrer Eltern. Als Offizier Joksch Renas Hände nahm, fing sein Freund an, einen Tango zu pfeifen, und sie schoben sich unbeholfen durch das Wohnzimmer.
     
     
    ~ ~ ~
     
    Ich war so nervös und fragte mich, was er wohl tun würde, wenn ich auch nur einen falschen Schritt machte, aber ich versuchte den Eindruck zu erwecken, als fühlte ich mich wohl dabei.
    Sein Freund pfiff, bis ihm Puste und Spucke wegblieben, und Offizier Joksch sagte: „Sie tanzen wunderbar, Rena.“
    Ich bekam kaum das Wort Dankeschön heraus, mein Mund war wie ausgetrocknet.
    „Nein, nein, Fräulein. Ich danke Ihnen . Sie haben diesen Tag wahrhaft unvergesslich für mich gemacht, und ich werde Ihr Vertrauen nie vergessen.“ Er wünschte uns einen guten Abend - natürlich ohne uns die Hand zu geben, aber trotzdem sehr freundlich – zahlte für die Kissenbezüge und ging.
    Händeringend weinte Mama still vor sich hin. Papa sagte kein Wort.
    O mein Gott, wie ich zitterte. Ich weiss nicht, warum ich nicht taumelte oder warum meine Knie nicht einfach unter mir nachgaben. Dann kam mir in den Sinn, dass ich
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