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RENAS VERSPRECHEN (German Edition)

RENAS VERSPRECHEN (German Edition)

Titel: RENAS VERSPRECHEN (German Edition)
Autoren: Rena Kornreich Gelissen , Heather Dune Macadam
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vielleicht wirklich eine gute Tänzerin war.
     
    ~ ~ ~
     
    Es war Sabbat, und Rena stand in ihrem Dirndl vor dem Spiegel und fing an, ihr langes Haar zu einem einzigen Zopf zu flechten, der ihr über den Rücken ging. Selbst wenn sie nicht in den Tempel gehen konnten, versuchten sie so weiterzumachen, als wäre alles normal, denn in ihren Herzen konnten sie noch immer den Gottesdienst abhalten. Doch trotz der Verordnungen hatten einige der Ältesten der Synagoge beschlossen, sich zu treffen. Gerade als sie die Gebete angestimmt hatten, platzten die Soldaten herein.
    „Ihr widersetzt euch den Befehlen, und dafür werdet ihr jetzt bestraft werden.“ Einer der Offiziere belferte die Kommandos und stiess die Männer gegen eine Wand. „Heute werden wir euch eine Lektion erteilen! Und die heutige Lektion soll euch lehren, dass jedes Mal, wenn ihr euch trefft, einer von euch mit zum Fluss genommen und dort erschossen wird. Packt ihn!“
     
     
    ~ ~ ~
     
    Zwei Soldaten schleppten zwischen sich einen Mann aus der Tür, und das war mein Vater.
    „Rena! Rena!“, schrie Joseph, der Oberste des Judenrats, als er auf unser Haus zulief. Die Hände noch mit dem Zopf beschäftigt, rannte ich ans Fenster und beugte mich hinaus, um zu fragen, was los war.
    „Sie haben deinen Vater, und sie werden ihn töten!“, sagte er mit zitternder Stimme. „Laufe hinunter zum Fluss und halte sie auf, ehe es zu spät ist!“
    Meine Füsse flogen die Stufen hinunter, ehe ich noch ein weiteres Wort über die Lippen brachte. „Mach schnell, Rena!“ Seine Stimme jagte mich die Strasse hinunter.
    Ich war barfuss. Mein Haar war nicht geflochten. Ich hatte nicht einmal meine weisse Armbinde mit dem blauen Davidstern an, die ich ständig tragen musste. So rannte ich also die Schotterstrasse hinunter zum Fluss – mein Haar zog schwer nach hinten, fiel mir ins Gesicht, klebte mir am Hals -, raste über die Karpatenhänge, jeder Schritt ein Gebet an unseren Gott, meinen Vater zu retten. Ich spürte die Steine nicht mehr, die sich in mein Fleisch schnitten. Ich achtete nicht auf die Blutspur im Schmutz.
    Jeden Morgen fand man viele Leichen entlang des Flusses, denn einen Juden zu töten, war kein Verbrechen, und so wusste ich genau, wohin ich zu rennen hatte. Doch was hatte Joseph sich dabei gedacht, als er mich schickte, um Papa zu retten? Ich schäme mich nicht, es zuzugeben, aber in Wahrheit hatte ich in diesem Augenblick nur einen einzigen Gedanken: Mama erzählen zu müssen, dass ich direkt dabeistand und zusah, als sie Papa töteten – ich nichts tun konnte. Das Bild ihres schmerzgezeichneten Gesichts war mehr a ls ich ertragen konnte, und desh alb versuchte ich mir unterwegs einen Plan zurechtzulegen, der mich davor bewahren würde, Mama erzählen zu müssen, dass Papa tot war.
    Ich entdeckte sie sofort auf der anderen Seite des Feldes, als ich aus den Bäumen herausstürzte, die den Pfad zum Fluss säumten. Papa stand vor dem Zaun, als die beiden Soldaten ihre Gewehre auf sein Herz hielten.
    „Aufhören!“, schrie ich und sprang vor ihn. „Das ist mein Vater. Wenn ihr ihn töten wollt, werdet ihr auch mich töten müssen.“ Ich dachte insgeheim, mich werden sie nicht töten, ich bin ein junges Mädchen. Ich war so naiv.
    „Scheissjude! Dreckiger Hund!“, zischten sie.
    Ich wagte nicht, Papa ins Gesicht zu sehen, und so schaute ich stattdessen seinen zukünftigen Mördern in die Augen.
    „ich verlasse meinen Vater nicht“, erklärte ich ihnen mit Nachdruck.
    „Sieh dir das Mädel an!“, lachten sie mir ins Gesicht. „Sie glaubt wohl, wir würden sie und ihren Drecksjuden von einem Vater nicht umbringen.“
    Ich drehte mich um und zeigte auf Papas weisses Hemd. „Schaut doch, wie weiss der Kragen von seinem Hemd ist. Er ist nicht schmutzig. Wie könnt ihr es wagen, zu sagen, dass mein Vater dreckig ist!“ Ich verstand nicht, was sie meinten. „Meine Mutter hat dieses Hemd selbst gewaschen und gebügelt.“ Ich zeigte ihnen seinen sauberen Kragen.
    „Du bist wirklich zu komisch!“, lachten sie und spannten ihre Gewehre. „Möchtest du ein Gebet sagen, bevor du stirbst, du kleines Judenmädel?“ Ich blinzelte in den Lauf ihrer Gewehre. Es war eine seltsame Vorstellung, dass so ein kleines dunkles Loch das Letzte sein sollte, was ich im Leben erblickte.
    Meine Hände knitterten Falten in meine frisch gebügelte Bluse. Einen Moment lang glaubte ich Gelächter von der Strasse am Fluss zu hören. Es hörte sich so gutmütig, so
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