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Remes, Ilkka - 8 - Tödlicher Sog

Remes, Ilkka - 8 - Tödlicher Sog

Titel: Remes, Ilkka - 8 - Tödlicher Sog
Autoren: Ilkka Remes
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Deutschen, der sich bei der Karambolage nach dem Start in Monza verletzt hatte? Sie hatten darüber gesprochen, aber vielleicht nicht ausführlich genug. Die Risiken waren Tero ein Grauen; manchmal fragte er sich, ob es ein Fehler gewesen war, Roni in eine so gefährliche Disziplin zu lotsen. Belastete den Jungen das Risiko mehr, als er, Tero, bisher geglaubt hatte? Roni zeigte seine Gefühle nur selten, aber normalerweise war er besserer Laune, sogar nach bitteren Misserfolgen - von denen es bereits mehr als genug gegeben hatte.
    Die hatten sie noch immer überstanden. Sie waren Kämpfer, zäh und erfinderisch, und das wurde am Ende belohnt. Alles ist möglich. Diesen Satz hatte Tero schon als Kind unzählige Male aus dem Mund seines eigenen Vaters gehört. Und damals schien auch tatsächlich alles möglich gewesen zu sein: Teros Vater, Jaakko Airas, besaß ein Ingenieurbüro, das auf Zellulose-und Papierfabrikprojekte spezialisiert war, und akquirierte auf der ganzen Welt Kunden, sogar in Südamerika. Das könne nicht gut gehen, die kulturellen Unterschiede zwischen den Kontinenten seien zu groß, da käme ein Finne nicht zurecht, hatte man ihm gesagt. Aber der charismatische Mann wusste seine Kunden mit Charme zu überzeugen. Er war Diplomingenieur, doch von anderem Schlag als viele seiner eher vorsichtigen Kollegen. In ihm steckte etwas von einem Renaissance-Menschen, von einem Kosmopoliten und Bohemien, dem das Geld nur so zufloss.
    Leider war ihm das Geld nicht nur zu-, sondern auch davon-geflossen ... Zu Teros Kindheit in den frühen Siebzigerjahren hatten Skiurlaube in der Schweiz, lange Segeltörns in den finnischen Schären, Dienstbotenservice in der Luxusvilla in Helsinkis Top-Wohnlage Kuusisaari und Jagdsafaris auf den riesigen Ländereien von Geschäftspartnern in Brasilien gehört. Die Mutter war gestorben, als Tero vier Jahre alt war, und sein Vater hatte nie wieder geheiratet. Er hatte Tero so oft mit auf Reisen genommen, dass der Rektor seiner Schule sich gezwungen sah, ihm einen Verweis wegen zu häufigen Fehlens zu erteilen. Aber sein Vater redete den Rektor schwindlig mit seinen Schilderungen von all den Dingen, die Tero bei seinen Besuchen in Machu Picchu, im Louvre und im Prado lernte.
    Nachdenklich ging Tero ins Wohnzimmer und blieb dort vor der Vitrine aus dem frühen 19. Jahrhundert stehen, die er einem Uhrmacher in Lyon abgekauft hatte. Sein Vater hatte ihm einen einzigen Gegenstand vererbt, und dieser befand sich auf seinem Ehrenplatz in dieser Vitrine. Tero erinnerte sich an den Abend, an dem sein Vater müde und betrunken vom Flughafen gekommen war und ein äußerst geheimnisvolles Bündel aus dem Koffer genommen hatte. Es enthielt ein Messer mit Perlmuttgriff, angeblich ein besonderer Schatz. Maya-Priester hatten es bei religiösen Zeremonien auf den obersten Stufen der Tempel benutzt und die Schneide geradewegs ins Herz ihrer Menschenopfer gestoßen. Tero hatte nie herausfinden können, ob der Gegenstand tatsächlich echt war, auf jeden Fall stellte er eine kostbare Erinnerung an die guten Zeiten seines Vaters dar - als noch alles möglich zu sein schien.
    Tero hatte beharrlich versucht, diesen Leitsatz auch auf sein eigenes Leben anzuwenden, obwohl ihm das aufgrund des Schicksals seines Vaters und allem, was für ihn, den Sohn, daraus gefolgt war, nicht immer leichtfiel. Dennoch war Tero nicht verbittert. Bis ins Alter von vierzehn Jahren hatte er eine in jeder Hinsicht glückliche Kindheit verleben dürfen.
2
    »Sie ist immer noch nicht da«, sagte Kimmo Leivo und kroch wieder zu seiner Frau Sirje in ihrer Dreizimmerwohnung in der Satulakuja in Vantaa ins Bett. Sirje seufzte schläfrig. »Julia ist siebzehn. In dem Alter kann man nicht von ihr erwarten, dass sie immer auf die Minute pünktlich ist.« Wenn Sirje sprach, klang ein ganz leichter, heller estnischer Akzent durch.
    »Sie hätte Bescheid gesagt, wenn sie vorgehabt hätte, länger wegzubleiben.« »Ruf sie an.«
    »Das hab ich schon. Sie meldet sich nicht.«
    Sirje stützte sich in ihrem geblümten Baumwollnachthemd auf den Ellbogen. Sie war fast zehn Jahre jünger als Kimmo und sah ungeschminkt beinahe jugendlich aus. »Wie spät ist es?«
    »Zehn nach zwölf.« Kimmo setzte sich auf den Bettrand. »Wenn Wochenende wäre, würde ich mir keine Gedanken machen.«
    Er wählte erneut Julias Nummer. Nach sieben Klingelzeichen sprang der Anrufbeantworter an: »Hz, hier ist Julias Mailbox, hinterlass mir bitte eine
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