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Reizende Gäste: Roman (German Edition)

Reizende Gäste: Roman (German Edition)

Titel: Reizende Gäste: Roman (German Edition)
Autoren: Sophie Kinsella
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ich sterbe«, sagte sie unvermittelt, »dann möchte ich, daß bei meinem Gedenkgottesdienst jeder eine Rede hält. Du, Antony, Gillian und alle unsere Kinder …«
    »Falls wir welche haben«, versetzte Lambert, ohne aufzublicken.
    »Falls wir welche haben«, echote Philippa grämlich. Sie starrte auf das Meer schwarzer Hüte. »Möglicherweise sterbe ich, bevor wir Kinder haben, das könnte doch sein? Ich meine, wir wissen ja nicht, wann wir sterben, oder? Morgen könnte ich tot sein.« Überwältigt von der Vorstellung, wie sie, umgeben von weinenden Trauernden, blaß, wächsern und romantisch im Sarg lag, hielt sie inne, den Tränen nahe. »Morgen könnte ich tot sein. Und dann wäre es …«
    »Jetzt halt den Mund!« Lambert legte das Schriftstück beiseite. Unauffällig griff er nach Philippas fleischiger Wade. »Du redest Unsinn!« murmelte er. »Was tust du?«
    Philippa schwieg. Lamberts Griff wurde allmählich fester, und plötzlich zwickte er sie so boshaft, daß sie nach Luft schnappte.
    »Ich rede Unsinn«, erklärte sie mit schneller, leiser Stimme.
    »Braves Mädchen.« Lambert ließ sie los. »So, jetzt setz dich gerade hin und reiß dich zusammen.«
    »Es tut mir leid«, meinte Philippa atemlos. »Es ist nur alles ein bißchen … überwältigend. Diese vielen Leute. Ich wußte gar nicht, daß Mummy so viele Freunde hatte.«
    »Deine Mutter war eine sehr beliebte Dame. Alle haben sie gemocht.«
    Und mich mag niemand, hätte Philippa am liebsten erwidert. Aber statt dessen fummelte sie hilflos an ihrem Hut und zog ein paar dünne Haarlocken unter dem strengen schwarzen Hutrand hervor, so daß sie, als sie sich zum ersten Kirchenlied erhob, noch schlimmer aussah als zuvor.

2
    »The day thou gavest, Lord, is ended«, sang Fleur. Sie zwang sich dazu, in das Gesangbuch hinabzusehen und vorzugeben, daß sie die Worte las. Als ob sie sie nicht im Schlaf beherrschen würde; als ob sie sie nicht bei unzähligen Begräbnissen und Gedenkgottesdiensten gesungen hätte. Warum suchten die Leute für Trauerfeiern immer dieselben langweiligen Lieder aus? War ihnen denn nicht klar, wie öde das die Dinge für jemanden machte, der regelmäßig ungebeten in Beerdigungen hereinplatzte?
    In die erste Beerdigung war Fleur rein zufällig hereingeschneit. Eines trüben Morgens war sie eine kleinere Seitenstraße in Kensington entlanggeschlendert und hatte überlegt, ob sie vielleicht einen Job in einer teuren Kunstgalerie bekommen könnte, als sie eine Gesellschaft eleganter Leute auf dem Bürgersteig vor einer kleinen, aber bedeutenden Kirche herumstehen sah. Als sie sie erreicht hatte, hatte sie aus reiner Neugier den Schritt verlangsamt und war dann stehengeblieben. Sie hatte dagestanden, nicht ganz in der Gruppe, aber auch nicht ganz außerhalb, und so vielen Gesprächen wie möglich gelauscht. Als sie hörte, daß von Treuhandvermögen, Familiendiamanten und schottischen Inseln die Rede war, war ihr allmählich klar geworden, daß diese Leute Geld hatten. Und wie!
    Dann war der Nieselregen plötzlich zu einem Wolkenbruch angeschwollen, und wie ein Amselschwarm, der losfliegt, hatten die Leute auf dem Bürgersteig unisono fünfundzwanzig Regenschirme aufgespannt. Es war Fleur als das Natürlichste auf der Welt vorgekommen, sich einen gütig wirkenden, älteren Herrn auszusuchen, ihm unverbindlich in die Augen zu sehen und dann mit einem dankbaren Lächeln unter den Schutz seines exklusiven Schirms aus schwarzer Seide zu schlüpfen. Es war nicht einfach gewesen, sich über den Regen, die Gespräche der anderen und den Verkehr hinweg zu unterhalten, und so hatten sie einander einfach nur angelächelt und genickt. Als der Chor mit der Probe fertig war und die Kirchentüren geöffnet wurden, da war es, als wären sie bereits alte Freunde. Er hatte sie in die Kirche geleitet und ihr ein Gottesdienstprogramm gereicht, und beide hatten sie weiter hinten zusammen Platz genommen.
    »Besonders gut habe ich Benjy ja nicht gekannt«, hatte ihr der ältere Herr beim Niedersetzen anvertraut. »Aber er war ein guter Freund meiner verstorbenen Frau.«
    »Er war ein Freund meines Vaters«, hatte Fleur erwidert und rasch auf das Gottesdienstprogramm gespäht, um sich den Namen »Benjamin St. John Gregory« einzuprägen. »Ich selbst habe ihn gar nicht gekannt. Aber es ist doch schön, Respekt zu zeigen.«
    »Da stimme ich Ihnen zu.« Der Mann strahlte sie an und streckte ihr die Hand entgegen. »Darf ich mich vorstellen. Ich heiße
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