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Reisen im Skriptorium

Reisen im Skriptorium

Titel: Reisen im Skriptorium
Autoren: Paul Auster
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sagt: Vielleicht doch nur abseifen. Es wird schon spät, und ich muss Sie noch anziehen und das Bett machen.
    Unterdessen hat Mr.   Blank Jacke und Hose des Schlafanzugs und auch seine Pantoffeln ausgezogen. Unbeeindruckt vom Anblick des nackten alten Mannes geht Anna zur Toilette, klappt den Deckel herunter undklopft als Einladung an Mr.   Blank, sich zu setzen, zweimal mit der Handfläche darauf. Er setzt sich, und Anna hockt sich neben ihn auf den Rand der Badewanne, dreht das warme Wasser auf und hält einen weißen Waschlappen in den Strahl.
    Kaum berührt Anna seinen Körper mit dem warmen, eingeseiften Lappen, fällt Mr.   Blank in einen Trancezustand träger Unterwerfung und gibt sich ganz dem Gefühl ihrer zarten Hände hin. Sie fängt oben an und arbeitet sich langsam nach unten vor, wäscht ihm die Ohren innen und außen, den Hals vorne und hinten, bittet ihn, sich auf dem Toilettendeckel umzudrehen, und bewegt den Lappen auf seinem Rücken auf und nieder, bittet ihn, sich wieder zurückzudrehen, und wiederholt den Vorgang auf seiner Brust, wobei sie sich etwa alle fünfzehn Sekunden unterbricht, um den Lappen unter den Wasserhahn zu halten, abwechselnd Seife hinzuzutun oder auszuspülen, je nachdem, ob sie eine bestimmte Körperpartie waschen oder die Seife von einer soeben gesäuberten Stelle entfernen will. Mr.   Blank schließt die Augen, mit einem Mal ist sein Kopf befreit von den Schattenwesen und Ängsten, die ihn seit dem ersten Absatz dieses Berichts verfolgt haben. Als der Waschlappen zu seinem Bauch vorgedrungen ist, nimmt sein Penis allmählich eine andere Gestalt an, wird länger und dicker, bis er das Stadium einer halben Erektion erreicht, und Mr.   Blank staunt selbst, dass sein Penis auch in seinem vorgerückten Alter noch reagiert wie ehedem undsein Verhalten seit der frühesten Pubertät niemals geändert hat. So vieles ist für ihn seitdem anders geworden, aber das nicht, dieses eine nicht, und jetzt, da Anna den Waschlappen in direkten Kontakt mit diesem Körperteil gebracht hat, spürt er, wie er sich zur vollen Ausdehnung versteift, und während sie ihn weiter mit dem warmen Seifenwasser schrubbt und striegelt, kann er sich nur mit Mühe verkneifen, sie anzuflehen, die Sache zu Ende zu bringen.
    Wir sind heute wohl gut aufgelegt, Mr.   Blank, sagt Anna.
    Ja, leider, flüstert Mr.   Blank, die Augen immer noch geschlossen. Ich kann nichts dagegen machen.
    Ich an Ihrer Stelle wäre stolz auf mich. Nicht jeder Mann in Ihrem Alter ist dazu   … dazu noch imstande.
    Das hat nichts mit mir zu tun. Das Ding führt ein Eigenleben.
    Plötzlich verlagert sich der Lappen auf sein rechtes Bein. Ehe Mr.   Blank seine Enttäuschung zum Ausdruck bringen kann, spürt er Annas freie Hand an der gut geschmierten Erektion auf und ab gleiten. Ihre Rechte wäscht ihn mit dem Lappen weiter, ihre Linke hingegen tut ihm jetzt diesen anderen Gefallen, und während er sich dem geübten Walten dieser Linken hingibt, fragt er sich, womit er eine so großzügige Behandlung verdient haben mag.
    Er stöhnt auf, als der Samen aus ihm herausspritzt, und erst da, nach vollendeter Tat, macht er die Augenauf und wendet sich Anna zu. Sie sitzt nicht mehr auf dem Wannenrand, sondern kniet vor ihm auf dem Boden und wischt das Ejakulat mit dem Waschlappen auf. Sie hat den Kopf gesenkt, daher kann er ihre Augen nicht sehen, aber trotzdem beugt er sich vor und berührt ihre linke Wange mit seiner rechten Hand. Jetzt sieht Anna auf, und als ihre Blicke sich begegnen, schenkt sie ihm wieder einmal ein sanftes, freundliches Lächeln.
    Sie sind so gut zu mir, sagt er.
    Wenn es Sie glücklich macht, antwortet sie. Das ist eine schwere Zeit für Sie, und wenn Sie in alldem ein paar angenehme Augenblicke finden können, helfe ich Ihnen gern.
    Ich habe Ihnen etwas Schreckliches angetan. Ich weiß nicht was, aber es war etwas Schreckliches   … Unaussprechliches   … Unverzeihliches. Und Sie sorgen für mich wie eine Heilige.
    Das war nicht Ihre Schuld. Sie haben getan, was Sie tun mussten, und ich mache Ihnen das nicht zum Vorwurf.
    Aber Sie hatten zu leiden. Ich habe Ihnen Leid zugefügt.
    Ja, großes Leid. Ich habe es beinahe nicht überlebt.
    Was habe ich getan?
    Sie haben mich an einen gefährlichen Ort geschickt, einen entsetzlichen Ort, wo es nur Tod und Zerstörung gab.
    Worum ging es? Um einen Auftrag?
    So könnte man es nennen.
    Da waren Sie noch jung? Das Mädchen auf dem Foto.
    Ja.
    Sie waren sehr schön,
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