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Reise ohne Wiederkehr

Reise ohne Wiederkehr

Titel: Reise ohne Wiederkehr
Autoren: Corinna R. Unger
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Schlütow (Marlene Dietrich), auftritt. Ms. Frost verliebt sich in Captain Pringle, der ein Verhältnis |126| mit der Schlütow hat, wovon die prüde Abgeordnete allerdings nichts weiß. Also beginnt er ein Doppelleben zu führen. All das findet im zerstörten Berlin statt und enthält zahlreiche Anspielungen auf die Allgegenwart der Nazi-Vergangenheit, die Naivität und den Pragmatismus der Amerikaner und die stoische Haltung der Berliner. Nach zahlreichen Irrungen und Wirrungen wird Schlütows Geliebter in einem
showdown
gefunden und erschossen, und Ms. Frost und Captain Pringle finden zueinander.
    Zwar kritisierte Wilder in seinem Film die deutsche Bevölkerung und führte dem Publikum die gesellschaftlichen Nachwirkungen des Nationalsozialismus vor Augen, doch letztlich scheint er sich mit dem Deutschland, das ihn vertrieben hatte, arrangiert zu haben. Er kehrte mehrmals nach Deutschland zurück und drehte einen weiteren Film in Berlin
( Eins, Zwei, Drei )
. Andere Exilanten konnten sich nicht damit abfinden, dass jene, die sie in den Dreißigerjahren entrechtet hatten, nun unbehelligt in der Bundesrepublik lebten und zu neuem Wohlstand kamen, während die Existenz im Exil lange Zeit prekär blieb. Schon aus finanziellen Gründen waren Besuchsreisen in die frühere Heimat für viele Exilanten ausgeschlossen. Die Wiedergutmachungen, die die Bundesrepublik seit den Fünfzigerjahren an Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung zahlte, waren umständlich zu beantragen und schienen vielen die Mühe und die neuerliche Demütigung durch oftmals wenig empathische Bürokraten nicht wert. Andere wollten es vermeiden, sich noch einmal mit den Details ihrer erzwungen Ausreise zu befassen. Erst nach mehreren Jahrzehnten begannen deutsche Gemeinden, sich an das Schicksal der Vertriebenen zu erinnern. Einige luden die Überlebenden zu Gedenkveranstaltungen in ihre früheren Wohnorte ein. Für viele Exilanten war es das erste Mal seit der überhasteten Flucht, dass sie wieder nach Deutschland kamen.

|127| Schluss
    A uf den vorangegangenen Seiten war viel von den Erfahrungen der Exilanten die Rede. Zugleich ließe sich auch fragen, welche Konsequenzen das massenhafte Exil für jene hatte, die in Deutschland blieben. Familien wurden gespalten, wenn ein Familienmitglied ins Exil ging und die anderen zurückblieben. Freundschaften zerbrachen über Streitigkeiten darüber, ob der Weg ins Exil richtig oder falsch sei. Bekannte und Nachbarn, die aus Deutschland flüchteten, hinterließen eine soziale Lücke. Insgesamt bedeutete die Vertreibung Hunderttausender von Menschen einen tiefgreifenden Verlust für die deutsche Gesellschaft, unabhängig davon, ob sie zur politischen und künstlerischen Elite zählten oder „einfache Bürger“ waren. Indem die Nationalsozialisten ihre ideologischen und politischen Gegner vertrieben, hielten sie möglichen Widerstand gegen das Regime gering und stabilisierten ihre Macht. Dass die Vertreibung die deutsche Gesellschaft um vieles ärmer machte, geriet gegenüber dem Ziel einer „rassisch“ und politisch einheitlichen „Volksgemeinschaft“ in den Hintergrund.
    Wie beschrieben, kehrte nur ein Bruchteil der Exilanten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust nach Deutschland zurück. Obwohl viele von ihnen relativ „unsichtbar“ blieben, spielten Remigranten doch eine bedeutende Rolle in beiden deutschen Nachkriegsgesellschaften. Das hatte zum einen damit zu tun, dass einige von ihnen Schlüsselpositionen in Kultur, Wissenschaft und Politik einnahmen und sich dabei auf die persönlichen Erfahrungen und |128| Einsichten stützten, die sie im Exil gewonnen hatten. Auf diese Weise prägten sie die Entwicklung der jeweiligen Nation mit. Unterhalb dieser offiziellen Ebene beeinflussten die Remigranten die beiden deutschen Gesellschaften, indem sie ein internationales Element in sie hineintrugen. Zwölf Jahre lang hatte sich Deutschland weitgehend vom internationalen Austausch isoliert und einen aggressiven, überspitzten Nationalismus gepflegt, der fast alles Nichtdeutsche misstrauisch beäugte. Die Exilanten, die nach 1945 zurückkehrten – sei es als Besucher, sei es als Remigranten – halfen, diese Isolation zu durchbrechen. So unfreiwillig sie ihre Heimat auch verlassen hatten und so unglücklich die Umstände ihrer Flucht auch gewesen sein mochten: Sie waren gereist, hatten andere Länder und Kulturen kennengelernt und neue Sprachen erlernt.
    Wie verzweigt die Wege des Exils
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