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Reise mit Hindernissen nach England und Schottland

Reise mit Hindernissen nach England und Schottland

Titel: Reise mit Hindernissen nach England und Schottland
Autoren: Jules Verne
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wäre da nicht ein besonderer Verwendungszweck der Treppe an der Fassade gewesen, die zur Wandelhalle führt. Diese Treppe hatte selbstverständlich die Aufgabe, nicht die Besucher, sondern ein halbes Dutzend Säulen hinaufgehen zu lassen; man fragt sich, wohin sie wollen, höchstwahrscheinlich zum Schwurgericht, und fürwahr, sie verdienen es, die Unglückseligen! Sobald sie jedoch oben auf der Treppe angelangt sind, können sie die Halle nicht betreten, denn sie tragen einen Brückenbogen auf dem Kopf, und unter diesem Bogen eine Statue der Justitia in einem Zustand fortgeschrittener Schwangerschaft!
    Das also konnten die beiden Pariser drei Tage lang bewundern; sie machten gute Miene zum bösen Spiel, und endlich war es Dienstagabend.
Viertes Kapitel
Die ersten Minuten an Bord
    Eine Menschenmenge drängte sich auf dem Quai de la Fosse; die zwei Dampfer trugen Kronen aus Rauch! Der
Comte
und die
Comtesse
erbebten vom Vorder-bis zum Hintersteven, und die Uhr an der Börse schlug sechs.
    Jacques und Jonathan waren an Bord; sie hatten sich bereits die Umgebung ausgesucht, in der sie die Nacht verbringen sollten; Jacques konnte sich nicht länger beherrschen; er ging auf und ab und ließ dabei ein unabsichtliches Lachen vernehmen; hundertmal setzte er sich und stand wieder auf, beugte sich über die Reling und betrachtete aufgeregt das vorbeifließende Wasser, dann lief er los, um die Maschine in Augenschein zu nehmen, deren Heizkessel kraftvoll brummte; er bewunderte diese starken Zylinder, diese noch reglosen Kolben; anschließend kehrte er auf das Hinterschiff zurück, stellte sich ans Steuerruder und legte gebieterisch eine Hand darauf. Am liebsten hätte er mit dem Kapitän des
Comte d’Erlon
ein paar Worte gewechselt; aber dieser war gerade damit beschäftigt, die Verladung zu erledigen, die, um ehrlich zu sein, erst um acht Uhr abends abgeschlossen war.
    Jonathan blieb viel ruhiger, seine Gedanken nahmen einen anderen Lauf; er sagte sich, daß er nichts Berückendes darin fand, vierundzwanzig Stunden auf diesem Schiff zu verbringen.
    »Und außerdem«, fügte er hinzu, »kenne ich nichts Dümmeres, als in Bordeaux den Weg nach Schottland zu suchen! Das ist einfach absurd!«
    »Warum denn das?« entgegnete Jacques. »Alle Wege führen nach Rom. Ein Sprichwort, das natürlich piemontesischer Herkunft ist.«
    Endlich wurden die Passagiere eingeschifft; der Kapitän gab das Abfahrtszeichen; die Räder des
Comte
setzten sich in Bewegung, und der Frachter folgte, nachdem er
geschwoit
hatte, der Strömung und fuhr inmitten der zahlreichen anderen Schiffe zügig aus dem Hafen.
    Jacques stieß einen jener Seufzer aus, wie sie nur in zufriedenen Zwerchfellen entstehen.
    »Endlich!« rief er.
    Ein Dutzend Meilen zählt man zwischen Nantes und Saint-Nazaire, das an der Loire-Mündung liegt. Mit Hilfe der Strömung war es ein leichtes, diese Entfernung in wenigen Stunden zurückzulegen. Doch bei Niedrigwasser ist der Fluß in jenem Teil, der sich in unmittelbarer Nähe der Stadt befindet, von Sandbänken durchzogen, und die Fahrrinne, der man folgen muß, um ihnen auszuweichen, ist schmal und gewunden. Wäre der
Comte d’Erlon
gleich zu Beginn der Ebbe aus dem Hafen gefahren, dann hätte man nicht befürchten müssen aufzulaufen; doch er hatte sich Zeit gelassen, und der Kapitän schien sich nicht sicher zu sein, ob er die Indret-Passage meistern würde.
    »Sobald wir sie hinter uns haben«, sagte er, »stehe ich für alles gerade.«
    Jacques blickte ihn bewundernd an.
    »Ein alter Seebär«, dachte er; »in Bordeaux sind wir dann also …?«
    »Morgen abend!«
    Das Schiff war ein ziemlich lahmer Kahn, doch mit Hilfe der Strömung kam es schnell voran. Am Ende des Hafens von Nantes verbreitert die Loire sich auf majestätische Weise; ihre Wasserfläche besteht an dieser Stelle aus dem Zusammenfluß von acht oder neun Armen, deren gelbliche Fluten sich an den Bogen vieler Brücken gebrochen haben. Auf der linken Seite erstreckten sich friedlich die Insel und das Dorf Trentemoult, deren Bewohner ein recht auffälliges Äußeres besitzen, ihre alten Bräuche bewahrt haben und sich, wie es heißt, nur untereinander verheiraten. Zur Rechten stieß der Kirchturm von Chantenay seine lange Spitze in den abendlichen Nebel. Die beiden Freunde konnten die verschwommenen Umrisse dieser sanften Hügel kaum erkennen, und so fuhren sie an Roche-Maurice und der Haute-Indre vorüber. Ein dumpfes Dröhnen, eine schwärzere Wolke, die sich
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