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Reise mit Hindernissen nach England und Schottland

Reise mit Hindernissen nach England und Schottland

Titel: Reise mit Hindernissen nach England und Schottland
Autoren: Jules Verne
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gegenüberstanden, warfen sie einander die für Teigkneter charakteristischen Schimpfwörter an den Kopf. Doch Jacques hielt sie im Zaum, indem er ihnen mit dem Einschreiten der Schutzmänner drohte, die er in seiner Anglomanie Policemen nannte. Die beiden Zeugen trafen schließlich ohne Zwischenfall beim Sheriff ein, um nicht Polizeikommissar zu sagen, wo diese zwei angesehenen Kaufleute Jacques einen guten Leumund bescheinigten, denn er hatte in ihren Geschäften noch nie etwas gestohlen; er bekam die Genehmigung, die erforderlich war, damit er zehn Franc in die Kassen der Regierung einzahle und auf diese Weise das Recht erwerben konnte, Frankreichs Grenzen zu überschreiten. Anschließend begab er sich in die Präfektur des Seine-Departements, zum Lord Mayor, und verlangte kühn nach einem Reisepaß für die Britischen Inseln; seine Personenbeschreibung wurde von einem alten, beinahe blinden Angestellten aufgenommen, den die Fortschritte der Zivilisation eines Tages durch einen vereidigten Photographen ersetzen werden. Jacques übergab seinen Paß einem freundlichen Mann, der sich gegen ein Entgelt von zwei Franc bereit erklärte, die notwendigen Visa und Beglaubigungen für die verschiedenen Botschaftskanzleien zu beschaffen, und der in seiner Gutherzigkeit so weit ging, dieses wichtige, ordnungsgemäß ausgestellte Dokument eigenhändig zurückzubringen.
    Andächtig küßte Jacques seinen Paß, nun hielt ihn nichts mehr zurück; am Samstagmorgen bekam er einen Brief des guten Jonathan: Dieser teilte ihm mit, daß die
Hamburg
noch nicht am Horizont aufgetaucht sei, aber von einer Stunde zur anderen einlaufen konnte.
    Jacques zögerte nicht länger; er hatte es eilig, Paris den Rücken zu kehren, seinem drückenden Klima, seiner ammoniakhaltigen Luft, seinen frisch angelegten Gärten und dem erst kürzlich rund um die Börse gepflanzten Urwald, in dem die treuen Giafars des mächtigen Harun-al-Rothschild ohne Unterlaß aufgescheucht umherlaufen.
    Jacques schnürte seinen Koffer zu, der mit gänzlich überflüssigen und zur Last fallenden Gegenständen vollgestopft war; er zog die Schutzhülle aus Wachstuch über seinen Regenschirm, warf sich seine Reisedecke mit dem gelben Tiger auf rotem Grund über die Schulter, setzte sich die obligate Mütze des überzeugten Touristen auf den Kopf und sprang in eine Mietdroschke.
    Kraft der einfachsten Gesetze der Fortbewegung brachte ihn diese Kutsche zur Orléans-Eisenbahnlinie; nachdem er eine Fahrkarte gelöst hatte, wurde sein Gepäck abgefertigt; und da Jacques ein kluger Mensch war, ließ er sich im ersten Waggon des Zuges nieder, um schneller ans Ziel zu gelangen. Die Glocke ertönte, die Lokomotive pfiff, wieherte und geriet in Wallung, während die Orgel vom Pont d’Austerlitz das
Miserere
aus dem
Trovatore
seufzte.
Drittes Kapitel
Wo die beiden Freunde Nantes besichtigen
    Jacques war um acht Uhr abends losgefahren; am nächsten Morgen stieg er in Nantes aus und begab sich unverzüglich zu Jonathan Savournon; nach einem zweistündigen Kampf gelang es ihm, diesen zu wecken.
    »Du schläfst«, rief er, »du schläfst! Und die
Hamburg
liegt nicht im Hafen.«
    »Lieber Freund«, antwortete Jonathan, »nimm deinen ganzen Mut zusammen.«
    Jacques erschauerte.
    »Was ist es denn? Sprich!«
    »Die
Hamburg
soll nicht mehr nach Saint-Nazaire kommen.«
    »Was sagst du da?«
    »Hier ist Mister Daunts Brief«, fuhr Jonathan fort und zeigte Jacques ein düster aussehendes Blatt Papier.
    »Aber bist du dir deiner Sache auch ganz sicher? Hast du dieses beklagenswerte Englisch auch wirklich verstanden?«
    »Hör zu: Die
Hamburg
soll von Liverpool aus nach Glasgow fahren, um dort vollgeladen zu werden; das ergibt also ein paar Tage Verspätung.«
    »Aber dann kommt sie …«
    »Gewiß: um den 4. oder 5. August wird sie …«
    »In Saint-Nazaire sein?«
    »Nein! In Bordeaux!«
    Jacques holte tief Atem.
    »Nun gut! Dann fahren wir eben nach Bordeaux! Es gibt hier Dampfer, die zweimal pro Woche zwischen Nantes und Bordeaux verkehren! Wir dürfen keine Minute verlieren!«
    »Das hat keine Eile«, sagte Jonathan.
    »Und wenn wir die
Hamburg
versäumen? Sie wartet bestimmt nicht auf uns! Also bitte, versuche nicht, dich mir zu widersetzen, es wäre nutzlos! Laß uns aufbrechen, das Meer ist schön!«
    Jonathan verzog das Gesicht; die Schönheit des Meeres machte ihm immer ein wenig angst. Doch was sollte er tun, da er sich nicht einbildete, auf dem Landweg nach Schottland zu gelangen,
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