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Reise im Mondlicht

Titel: Reise im Mondlicht
Autoren: Antal Szerb
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»Ja. Pataki ist nach Paris gefahren, sie haben sich versöhnt, und er hat Erzsi nach Hause geholt.«
    »Aber wie und warum?«
    »Mein Lieber, wie soll ich das wissen, du kannst dir ja denken, daß ich mich nicht danach erkundigt habe. Wir haben uns nur
     über Geschäftliches unterhalten. Wie du wohl weißt, hat mich dein   … wie soll ich sagen   … seltsames, wenn auch mich gar nicht so sehr überraschendes Verhalten in eine sehr peinliche Lage gebracht. In eine peinliche
     finanzielle Lage. Erzsis Geld in der heutigen Welt zu liquidieren   … du bist informiert, nicht wahr, Tivadar hat dir doch alles geschrieben.«
    »Ja. Du glaubst es vielleicht nicht, aber ich habe mir entsetzliche Sorgen gemacht darüber, wie es weitergehen soll. Erzsi
     hat gesagt, Zoltán würde   … aber sprich weiter.«
    »Gott sei Dank ist nichts passiert. Gerade deswegen sind sie zu mir gekommen, um zu besprechen, unter welchen Bedingungen
     ich ihnen das Geld zurückzahlen soll. Aber ich muß sagen, sie waren so kulant, daß ich gestaunt habe. Wir haben uns über die
     Raten geeinigt. Sie sind keineswegs drückend, und ich hoffe, daß wir auch diese Angelegenheit ohne größere Schwierigkeiten
     abwikkeln können. Um so mehr, als es deinem Bruder Péter gelungen ist, einen hervorragenden neuen Geschäftspartner zu finden.«
    »Ja und Zoltán, ich meine Pataki, hat sich anständig verhalten? Ich verstehe das nicht.«
    »Er hat sich vollkommen gentlemanlike verhalten. Ich glaube, unter uns gesagt, aus Freude darüber, daß Erzsi zu ihm zurückgekehrt
     ist. Und bestimmt auch in Erzsis Sinn. Das ist eine ganz ausgezeichnete Frau. Es ist wirklich schlimm, Mihály   … na, ich habe beschlossen, dir keine Vorwürfe zu machen. Du warst schon immer ein merkwürdiger Junge, und du mußt wissen,
     was du tust.«
    »Und Zoltán hat nichts Schlechtes über mich gesagt? Hat er nicht gesagt, daß   …?«
    »Er hat überhaupt nichts gesagt. Kein Wort über dich, was ja unter den gegebenen Umständen auch natürlich ist. Hingegen hat
     Erzsi von dir gesprochen.«
    |254| »Erzsi?«
    »Ja. Sie hat gesagt, sie habe dich in Rom getroffen. Sie hat keine Einzelheiten genannt, ich habe natürlich auch nicht gefragt,
     aber soviel hat sie verraten, daß du dich in einer ganz mißlichen Lage befindest und daß du meinst, deine Familie hätte sich
     gegen dich gewandt. Nein, sag nichts. Wir sind miteinander stets diskret gewesen, und wir wollen das auch bleiben. Doch Erzsi
     hat mir geraten, selbst nach Rom zu fahren und dich zu überreden, daß du nach Budapest zurückkommst. Beziehungsweise, ich
     sollte dich nach Hause bringen, um ihren Ausdruck zu gebrauchen.«
    Nach Hause bringen? Ja, Erzsi wußte, was sie redete, sie kannte Mihály. Es war ihr klar, daß er von seinem Vater nach Hause
     gebracht werden konnte wie ein Student, der durchgebrannt war. Es war ihr klar, daß Mihálys Naturell auf Gehorsam eingestellt
     war und er auch wirklich gehorchen würde wie der eingefangene Student; mit der mentalen Einschränkung, daß er bei Gelegenheit
     eventuell wieder davonlaufen würde.
    Erzsi war weise. Es blieb ja wirklich nichts anderes übrig, als nach Hause zu gehen. Es gäbe zwar noch eine andere Lösung,
     aber   … die äußeren Umstände, vor denen er in den Tod hatte flüchten wollen, waren offenbar nicht mehr vorhanden. Zoltán war versöhnt,
     seine Familie wartete sehnsüchtig auf ihn, niemand verfolgte ihn.
    »Da wäre ich also«, fuhr sein Vater fort, »und ich möchte gern, daß du deine hiesigen Angelegenheiten sogleich ordnest und
     nach Hause mitkommst, noch mit dem heutigen Abendzug. Weißt du, ich habe nicht viel Zeit.«
    »Ja, nun, das kommt ein bißchen plötzlich«, sagte Mihály, aus seiner Träumerei aufgeschreckt. »Heute morgen hätte ich an alles
     gedacht, nur nicht daran, daß ich nach Budapest fahren würde.«
    »Das glaube ich schon, aber was hast du dagegen?«
    »Nichts, aber laß mich Atem holen. Schau, auch dir wird es nicht schaden, wenn du dich bei mir ein bißchen hinlegst und Siesta
     machst. Unterdessen bringe ich meine Angelegenheiten in Ordnung.«
    »Na schön, wie du meinst.«
    |255| Mihály machte es seinem Vater auf dem Bett bequem, er selbst setzte sich in den Lehnstuhl, mit der festen Absicht nachzudenken.
     Das Nachdenken bestand darin, daß er der Reihe nach bestimmte Gefühle evozierte und ihrer Intensität nachsann. Auf diese Art
     pflegte er festzustellen, was er wollte oder wollen würde, wenn er
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