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Reise durch die Sonnenwelt

Reise durch die Sonnenwelt

Titel: Reise durch die Sonnenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Unter den gegebenen Verhältnissen hätte der Montmartre Ben-Zouf nur einen Schritt gekostet. Beide hatten nur die eine Befürchtung, sie möchten zu große Bogen in vertikaler Richtung machen, da sie doch horizontal vorwärts wollten. In der That berührten sie kaum den Erdboden, der für sie nur als Schwungbrett mit unbegrenzter Elasticität diente.
    Endlich ward das Ufer des Cheliff sichtbar und mit wenigen Sprüngen standen Kapitän Servadac und seine Ordonnanz an dessen rechter Seite.
    Doch hier mußten sie Halt machen. Die Brücke war verschwunden.
    »Keine Brücke mehr! rief Kapitän Servadac. Hier hat’s also eine Ueberschwemmung gegeben, so eine kleine Wiederholung der Sündfluth.
    – Bah!« machte sich Ben-Zouf bemerkbar.
    Und doch war hier das Staunen am rechten Orte. Der Cheliff als solcher existirte nicht mehr. Sein linkes Ufer war spurlos verschwunden Das rechte, früher der Rand eines fruchtbaren Landes, bildete jetzt eine Seeküste. Im Westen vertrat ein tobendes Wasser, statt der murmelnden, friedlichen Wellen, von blauer, statt der früheren gelben Farbe, bis auf Sehweite sein freundliches Bett. Ein Meer schien den Fluß verdrängt zu haben. Hier endete vorläufig die Gegend, welche früher das Territorium von Mostagenem bildete.
    Hector Servadac wollte Klarheit. Er ging bis dicht an’s Ufer, schöpfte etwas Wasser mit der Hand und führte diese zum Munde …
    »Salzig! rief er. In wenigen Stunden hat das Meer den ganzen Westen von Algier verschlungen.
    – Dann, Herr Kapitän, meinte Ben-Zouf, wird das etwas länger dauern als eine gewöhnliche Ueberschwemmung.
    – Das ist die verkehrte Welt! erwiderte kopfschüttelnd der Stabsofficier; und die Umwälzung kann wahrhaft unberechenbare Folgen haben. Was mag aus meinen Freunden, meinen Kameraden geworden sein?«
    Ben-Zouf hatte Hector Servadac noch nie so erregt gesehen. Er suchte also sein Gesicht mit dem des Anderen in Einklang zu bringen, obgleich er für seine Person noch keine so rechte Vorstellung von dem hatte, was hier vorgegangen sei. Auch hätte er schon als Philosoph seine Partei genommen, wenn er sich nicht »militärisch« verpflichtet gefühlt hätte, die Empfindungen seines Kapitäns zu theilen.
    Das neu entstandene, vom rechten Ufer des Cheliff gebildete Ufer verlief an leicht gerundeter Linie von Norden nach Süden. Es schien nicht, als habe die Erdrevolution, deren Schauplatz dieser Theil Afrikas war, dasselbe besonders berührt. Noch immer entsprach es auf den ersten Blick mit seinen Gruppen großer Bäume, seinem launenhaft abgeschnittenen Ufer und dem grünen Teppich der benachbarten Wiesen der früheren topographischen Aufnahme. Nur bildete es jetzt, statt der einen Wand eines Flußbettes, die Küste eines unbekannten Meeres.
    Kaum gelang es aber dem Kapitän Servadac, der jetzt sehr ernst geworden war, die eingreifenden Veränderungen genauer in’s Auge zu fassen. Als die Sonne im Osten den Horizont erreicht hatte, versank sie unter diesen so schnell wie eine Kanonenkugel im Meere. Wäre man am 21. März oder 21. September unter den Tropen gewesen, zur Zeit, wo die Sonne die Ekliptik schneidet, der Uebergang vom Tage zur Nacht hätte sich nicht schneller vollziehen können. Keine Dämmerung begleitete diesen Abend und voraussichtlich fehlte auch das Morgenroth dem anderen Tage. Himmel, Erde und Meer, Alles ward fast augenblicklich in tiefer Finsterniß begraben.
Sechstes Capitel.
Welches den Leser veranlaßt, Kapitän Servadac beim ersten Ausfluge in sein neues Gebiet zu begleiten.
    Erinnert man sich des abenteuerlustigen Charakters unseres Kapitän Servadac, so begreift man auch leicht, daß er sich angesichts so ganz außergewöhnlicher Ereignisse doch keineswegs bestürzt zeigte. Nur wollte er, da er weniger indifferent als Ben-Zouf beanlagt war, gern die letzte Ursache der Dinge kennen lernen. Die Folgen berührten ihn weit weniger, wenn die Ursache einer Erscheinung ihm klar vor Augen lag. Die Aussicht, von einer Kanonenkugel zerrissen zu werden, hätte ihm keinen Kummer gemacht von dem Augenblicke an, da er wußte, nach welchen Gesetzen der Ballistik und in welcher Flugbahn sie gerade die Mitte der Brust treffen mußte. Das war so seine Art, die Dinge in der Welt anzusehen. Ohne sich also weiter, als sein Temperament das zuließ, um die Consequenzen des vorliegenden Phänomens zu kümmern, dachte er an nichts Anderes als an die Ergründung der Ursache desselben.
    »Donnerwetter! rief er, als es so plötzlich Nacht

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