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Reich kann jeder

Reich kann jeder

Titel: Reich kann jeder
Autoren: Jan Anne; Rentzow Nürnberger , Anne Nürnberger , Jan Rentzow
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Laura?
    Wenn ich das alles beachten soll, wer bin ich dann, frage ich mich.
    Weiß sieht immer edel aus. Auf Sylt, da bräuchte ich Polos, weiße Hosen. Anne, in Saint-Tropez, Strass.
    Wer bin ich dann? Wer könnte ein Vorbild für mich sein?
    Karl Lagerfeld sei gut angezogen, und der Panama-Hut, den kaufe Brad Pitt, der könne auch mir stehen, ein Tuch könne meinen Look interessant gestalten. Habe ich schon ein Tuch?
    »Anne, die Handtasche muss stimmen, die ist eine Hingucker-Sache. Ein gutes Accessoire wertet jedes Outfit auf. Schuhe, Tasche, Schal, daran erkennt man, ob jemand Stil hat und Geschmack.«
    »In eine schöne Kosmetiktasche, ein schönes Portemonnaie solltest du auch investieren, die holst du oft raus, die sieht man bei Tisch.«
    »Bei Knigge zur Anreise als Frau bitte nicht kurz, sondern knielang. Kleidchen oder Dreiviertelhose in Weiß.«
    Ich glaube, ich mag Laura, denke ich abends im Bett. Ich glaube, ich werde es mögen, wenn Annes Po nicht mehr jedem ins Gesicht springt. Wenn sie ab morgen nicht mehr wie eine sexuelle Verlockung, sondern wie ein geheimnisvolles Geschenk rumläuft.
    Wir werden uns jetzt umziehen, in die größte Kabine unseres Lebens gehen und als andere wieder rauskommen, so viel steht fest.
    ***
    Am nächsten Morgen mache ich eine Liste von den ganzen Sachen, die ich brauche, und sehe mich in Gedanken, wie ich darin herumlaufe und mich wohlfühle. Ich will: Polo-Shirts von Ralph Lauren, der Sylt-Marke. Einen Gürtel, ein paar vernünftige Jeans. Maßgeschneiderte Schuhe, einen edlen Pullover aus weichem Stoff, Kaschmir vielleicht. Einen Anzug und, und, und.
    Anne sagt, sie will Stiefel, ein ordentliches Portemonnaie, weil ihres aussehe wie eine Presswurst. Sie brauche ein Sakko, ein Kleid.
    »Der Verlag, der aus uns ein Buch machen will, hat einen Vorschuss überwiesen«, sagt Anne, und wir legen unser Budget fest: Zwei Mal 2000 Euro für neue Klamotten.
    Laura macht mit ihr aus, dass sie uns zu einem oberfeinen Wochenend-Designer-Sale mitnimmt, in einem Luxus-Kaufhaus, Berlin, beste Lage. »Am Sonntag, nur für ausgewählte Kunden, fast alles für 50 Prozent.«
    Ich bin jetzt ausgewählt, denke ich und freue mich wie ein Ausgewählter. Eine Stunde stehe ich vor dem Spiegel, weil ich nicht weiß, was ich anziehen soll. Sich vor dem Shoppen überlegen, was man anzieht, so weit ist es schon gekommen.
    Wir fahren mit Annes B-Klasse vor und staunen nicht schlecht. Draußen schießen die Touristen Fotos, auch von uns.
    Ich lächele schüchtern in ihre Kameras.
    »Danke, viel Spaß«, wünscht der smarte junge Mann am Empfang und guckt sich unsere Einladung an. Es fehlt nur noch der rote Teppich. Dann sind wir drin.
    Kauf, mein Junge, schreit alles hier, kauf, damit du reich aussiehst, Gucci ist gut für dich.
    Nun komm schon, kauf doch!
    Ich bin schon gestresst, bevor es losgeht.
    Wir treffen Laura direkt an der Stange. Sie hat ihr Kind dabei, die Mutter, die Schwester, die ganze Familie.
    Es ist ein Tross der Kauflust.
    Unsere Stil-Beraterin steht da und wartet auf uns, sie wird uns jetzt zeigen, wie es geht. Sie hat sogar schon eine Runde gedreht und alles rausgesucht, damit es schneller geht.
    »Guck mal, Anne, das ist ein schönes Trendteil«, sagt sie. »Das hier, das Kleid ist in New York richtig angesagt.«
    Nicht gucken, kaufen, ist heute die Devise. Chloé, Lanvin, Marchesa, Donna Karan. Man kann Klamotten für ein Jahresgehalt kaufen, aber heute kriegt man sie für ein halbes.
    Es gehe an dieser Stelle jetzt überhaupt nicht ums Brauchen, sondern ums Haben, erklärt Laura, ums Haben.
    Was jetzt gekauft wird, das hat man, das muss man ein anderes Mal, wenn es mehr kostet, nicht kaufen. Kaufen, um zu sparen, gewissermaßen. Ausgeben: der Klassiker des Sparens.
    Ich nestele und streichele an irgendwelchen Hosen herum, versuche mich einzufühlen. Es ist total absurd.
    2000 Euro.
    »Dafür gibt es ein scheiß Auto oder ein Outfit, bei dem alle ›Wow‹ sagen«, erklärt der sanfte Malte, ein Verkäufer mit leichtem Federgang und dunkler Rahmenbrille. Er will eine verhängnisvolle Affäre mit uns beginnen, verkaufstechnisch.
    Ich drehe durch, kauftechnisch.
    Laura!
    Laura!
    Ich fühle mich so falsch an einem Ort, an dem Kundinnen an Erdbeerbowle nippen und ihren Lippenstift an Cappuccino-Tassen abwischen oder Lutscher im Mund haben, an dem Kinder in Baby-Dior auf dem Boden Richtung Hosen rutschen. Ich will keine dünnen Verkäufer mit Bohnenbeinen. Bohnenbeine machen mir
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