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Regulator: Roman

Regulator: Roman

Titel: Regulator: Roman
Autoren: Stephen King
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nie was in der Zeitung drüber gelesen -, aber er hat die Augen des Ex-Cops gesehen, und in diesen Augen ist ein Ausdruck, den er nie in einem anderen Augenpaar gesehen hat, ein Ausdruck, bei dem man weggucken will, bevor man zu genau weiß, was man eigentlich sieht. Oben auf dem Hügel biegt der rote Lieferwagen - wenn es denn einer ist, er ist so bunt und aufgemotzt, daß man es nur schwer sagen kann - auf die Poplar ein. Er beschleunigt. Sein Motor gibt ein melodisches, samtweiches Schnurren von sich. Und was, sag an, ist dieses Ding aus Chrom auf seinem Dach? Johnny Marinville hört auf, Gitarre zu spielen, und sieht dem vorbeifahrenden Lieferwagen nach. Ins Innere kann er nicht sehen, weil die Scheiben getönt sind, aber, hol's der Teufel, das Ding auf dem Dach sieht wie eine verchromte Radarschüssel aus. Ist die CIA in der Poplar Street gelandet? Auf der anderen Straßenseite sieht Johnny Brad Josephson, der immer noch mit dem Gartenschlauch in einer und dem Shopper in der anderen Hand in seinem Vorgarten steht. Brad sieht ebenfalls mit offenem Mund dem dahinzockelnden Lieferwagen nach (aber ist es ein Lieferwagen? Ist es einer?) und macht ein Gesicht, bei dem sich Staunen und Verblüffung die Waage halten.
    Sonnenlicht spiegelt sich funkelnd in der knallroten Karosserie und dem Chrom unter den dunklen Scheiben -so grell, daß Johnny die Augen zukneifen muß. Vor dem Haus nebenan wäscht David Carver immer noch sein Auto. Er ist mit Feuereifer bei der Sache, das muß man ihm lassen; er hat seinen Chevy bis zu den Wischerblättern eingeseift.
    Der rote Lieferwagen rollt summend und funkelnd an ihm vorbei.
    Auf der anderen Straßenseite stellen die Reed-Zwillinge und ihre Freundinnen das Frisbeespiel auf dem Rasen ein und betrachten den dahinrollenden Lieferwagen. Die Jugendlichen bilden ein Rechteck; in der Mitte sitzt Hannibal, hechelt glücklich und wartet auf die nächste Chance, sich das Frisbee zu schnappen.
    Die Ereignisse spitzen sich langsam zu, aber das merkt noch niemand in der Poplar Street. In der Ferne grollt Donner.
    Cary Ripton bemerkt den Lieferwagen im Rückspiegel kaum, ebensowenig den hellgelben Ryder, der von der Hyacinth links auf die Poplar einbiegt und auf den Asphaltparkplatz des E-Z Stop fährt, wo die Kinder der Carvers immer noch neben Buster, dem roten Wagen, stehen und diskutieren, ob Ralph von seiner Schwester den Berg hinaufgezogen wird, oder nicht. Ralph hat eingewilligt, zu Fuß zu gehen und das mit der Zeitschrift, auf deren Umschlag Ethan Hawke abgebildet ist, für sich zu behalten, aber nur, wenn seine teure Schwester Margrit die Made ihm den ganzen Schokoriegel gibt, nicht nur die Hälfte. Die Kinder unterbrechen ihren Streit, als sie den weißen Dampf bemerken, der wie der Atem eines Drachen aus dem Kühler des Ryder entweicht, aber Cary Ripton schenkt den Problemen des Ryder null Aufmerksamkeit. Seine ganze Aufmerksamkeit ist auf eines, und nur auf eines gerichtet: dem irren Ex-Cop seinen Shopper zuzustellen und unbeschadet davonzukommen. Der Name des Ex-Cops ist Collie Entragian, und er ist der einzige im ganzen Block mit einem BETRETEN VERBOTEN-Schild auf dem Rasen. Es ist klein, es ist diskret, aber es ist da. Wenn er zwei Jungs getötet hat, wieso ist er dann nicht im Gefängnis? fragt sich Cary nicht zum erstenmal. Er kommt zu dem Ergebnis, daß ihm das egal ist. Die Freiheit des Ex-Cops ist nicht sein Bier an diesem strahlenden Nachmittag; ihn zu überleben ist sein Bier. Da ihm das alles durch den Kopf geht, verwundert es nicht, daß Cary den Ryder nicht sieht, der aus dem Kühlergrill dampft, oder die beiden Kinder, die ihre komplizierten Verhandlungen über die Zeitschrift, den Three-Musketeers-Schokoriegel und den roten Leiterwagen vorübergehend eingestellt haben, oder den Lieferwagen, der bergab gefahren kommt. Er konzentriert sich darauf, nicht zum nächsten Opfer eines Psycho-Cops zu werden, und das ist eine Ironie des Schicksals, da sich ihm genau dieses derweil von hinten nähert.
    Eines der Seitenfenster des Lieferwagens gleitet nach unten. Der Lauf einer Flinte kommt zum Vorschein. Er hat eine seltsame Farbe, nicht ganz silbern, nicht ganz grau. Die
    doppelte Mündung sieht aus wie das schwarzgefärbte, auf die Seite gelegte Symbol für die Unendlichkeit. Irgendwo jenseits des strahlenden Himmels grollt wieder nachmittäglicher Donner.
     

    SAN JOSE (AP) Ein Familienurlaub im nördlichen Kalifornien endete gestern mit einer Tragödie, als vier Mitglieder
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