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Regency Reality-Show

Regency Reality-Show

Titel: Regency Reality-Show
Autoren: Martina Hertig-Binz
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Tischnachbar zu meiner Rechten erblickte, sank mein Selbstwertgefühl in unendliche Tiefen und ich suhlte mich kurzfristig in Selbstmitleid. Wenigstens hatte Donald zu meiner Linken Platz genommen und als er mich sogleich in ein Gespräch verwickelte, lächelte ich ihn dankbar an.
    „Wir haben Dich heute Nachmittag vermisst. Warum warst Du bei unserem Bogenschiess-Wettkampf nicht dabei?“
    „Es fand ein Wettkampf im Bogenschiessen statt?“
    „Eigentlich war es eher eine Lehrstunde. Ausser Rebekka, der Tochter des Earl of Cambridge, konnte niemand richtig mit Pfeil und Bogen umgehen. Aber wir haben einiges dazugelernt. Noch ein paar zusätzliche Instruktionen und bald werden wir einen richtigen Wettkampf veranstalten können.“
    „Das tönt interessant. Vielleicht mache ich nächstes Mal auch mit. Heute habe ich mich nicht wohl gefühlt und bin den ganzen Nachmittag auf meinem Zimmer geblieben.“
    „Das tut mir leid, fühlen Sie sich wieder wohler?“ meldete sich der Earl of Ayrshire zu Wort. Offensichtlich hatte er unserem Gespräch gelauscht. Unwillig drehte ich mich langsam zu ihm um. Doch als ich den Schalk in seinen Augen aufblitzen sah, blieb mir die barsche Antwort im Halse stecken.
    „Wenn es ihnen morgen besser geht, sollten Sie unbedingt ausreiten. Besonders beim nahen See hat es eine wunderschöne Stelle, die Sie besichtigen sollten.“
    Wollte er mir den Krieg erklären oder sich einfach nur auf meine Kosten lustig machen? Ich war wütend, versuchte jedoch angestrengt, mein Gesicht in eine nichtssagende Maske zu versteinern, was mir nicht wirklich gelang. Um meine Wut in den Griff zu bekommen, zählte ich langsam bis zehn und als ich mich noch immer nicht besser fühlte, zählte ich von zehn rückwärts.
    „Toll, wie Sie rückwärts zählen können? Was passiert, wenn Sie bei null angelangt sind, platzt ihnen dann das Kleid?“
    Nein, ich hatte schon wieder meine Gedanken laut ausgesprochen und prompt machte der schottische Earl sich darüber lustig. Jetzt war es mit meiner so mühsam gewahrten Ruhe vollends vorbei. Dieses Spielchen konnte ich schon lange.
    „Werden Ihre Hosen von der Krawatte zusammengehalten? Ich habe gehört, dass Sie neuerdings keinen Gürtel mehr besitzen. Haben Sie ihn etwa beim Kartenspiel verloren?“ Ok, das war gemein, denn schliesslich hatte er mir mit seinem Gürtel aus der Patsche geholfen. Aber Rache war eben süss –
    „Sie irren meine Dame. Seien Sie versichert, dass ich einen ganzen Schrank voller Gürtel mein Eigen nennen darf. Einige sind braun, andere schwarz. Einige haben eine breite Schnalle, einige haben Verzierungen aber alle sind voll funktionsfähig und halten den Stoff genau dort, wo er sein sollte.“
    Damit hatte er mir einen weiteren Seitenhieb verpasst. Es schien, ich konnte gegen ihn nicht gewinnen, also gab ich mich mit einem schiefen Lächeln geschlagen und versuchte es einmal mit Freundlichkeit.
    „Ich bin Gertrud, die einzige Tochter des Grafen von und zu Thundorf.“
    „Gertrud, ein wunderschöner Name, aber nicht besonders englisch. Wenn ich ehrlich sein soll, sie tönen auch nicht wie eine Engländerin.“
    „Wir kommen aus Wien und haben einen Landsitz in der Nähe von Salzburg.“ gab ich kurz angebunden zur Antwort. Nun war ich wieder eingeschnappt. Schliesslich war mein Englisch lupenrein. Ich hatte mir zwar vorgenommen, hier nie wieder als Lea zu denken, aber mein leiblicher Vater hatte mir schliesslich sein englisches Blut vererbt. Zugegebenermassen, ich hatte vorher nie in England gelebt, aber wir hatten oft an der englischen Südküste unsere Ferien verbracht und überhaupt, was musste dieser Lümmel auch auf meinem etwas anderen Akzent rumhacken.
    Als sich die Damen ins Musikzimmer zurückzogen schürzte ich Kopfschmerzen vor und machte mich in die andere Richtung auf. Anstatt auf mein Zimmer zu gehen, marschierte ich auf direktem Wege in den Stall. Zum Reiten hatte ich die falschen Kleider an, aber wenigstens konnte ich Flora nahe sein und mich von ihr trösten lassen.
    Die Tierpfleger, Stallburschen und alle anderen Angestellten, die tagsüber die Stallungen bevölkerten hatten offensichtlich anderswo zu tun, hatten sich in ihre Räume zurückgezogen oder vergnügten sich in den Gesinderäumen des Haupthauses. Jedenfalls hielt mich niemand auf, als ich zu Flora in die Box eilte.
    „Alle sind so gemein. Sie machen sich über mich lustig und keiner mag mich.“ Floras Wärme tat mir gut. Ich umklammerte ihren Hals und
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