Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rebellin unter Feen

Titel: Rebellin unter Feen
Autoren: R. J. Anderson
Vom Netzwerk:
dachte sie plötzlich. Ihre Aufregung wuchs. Genau wie sie. Endlich ein echter Spielkamerad!
    Winka hatte aufgehört, am Fenster auf und ab zu rennen. »Bryony«, rief sie wütend, »wenn du nicht augenblicklich zur Eiche zurückkommst …«
    »Pst!«, flüsterte Bryony. »Sonst vertreibst du es!«
    Winka brach ab. »Vertreiben … was denn?«
    »Das Monster natürlich«, erklärte Bryony ungeduldig, ohne den Blick von dem Kind abzuwenden. Es stand nur noch zwei Äste unter ihr und schien sie nicht gesehen zu haben. Doch jetzt blieb es stehen und legte den Kopf wie lauschend zur Seite.
    Einige Wimpernschläge vergingen in vollkommenem Schweigen. Dann hörte Bryony Winka angestrengt etwas flüstern. Ihre Stimme war über dem Rascheln der Blätter kaum zu hören. »Bryony, bitte … was immer du tust, bleib ganz ruhig sitzen. «
    Bryony lebte schon seit ihrer Geburt mit Winka zusammen, aber so hatte sich die Stimme der Pflegemutter noch nie angehört. Winka klang nicht nur aufgeregt und beunruhigt, sondern schlichtweg panisch.
    Bryonys Selbstvertrauen geriet ins Wanken. Ganz vorsichtig schob sie sich rückwärts auf die Eiche zu. Sie hörte den keuchenden Atem des Monsters, das wieder zu klettern angefangen hatte, und ihr Herz begann schneller zu schlagen, als sie merkte, wie nahe es ihr schon gekommen war. So nahe, dass es sie mit seiner schmutzigen Hand packen, ihr die Flügel abreißen und sie sich in den roten, halb geöffneten Mund stopfen konnte …
    Da hob das Kind den Kopf und ihre Blicke begegneten sich.
    Bryonys Angst platzte wie eine Seifenblase. Das Kind sah sie erstaunt an, aber ohne eine Spur von Bosheit oder Hunger. Ganz im Gegenteil, wenn Bryony nicht ihr Leben lang gehört hätte, Feen seien die einzigen vernunftbegabten Geschöpfe der Welt, hätte sie den wachen Blick der Augen durchaus für den eines intelligenten Wesens halten können.
    Unwillkürlich hielt sie ihm die Hand hin. Das Kind zog sich bis auf die Höhe ihres Astes hinauf. Seine Zähne glänzten und es streckte seine riesigen Finger aus …
    Da wurde Bryony von hinten gepackt. Vor Schreck war ihre Kehle wie zugeschnürt, und sie brachte keinen Laut heraus. Sie wurde auf dem Ast entlanggezogen und durch das Fenster in die Eiche verfrachtet. Unsanft landete sie auf dem staubigen Boden und hob schützend den Arm vor das Gesicht. Erst dann sah sie, dass Dorna über ihr stand – keuchend und mit wütendem Gesicht.
    Die königliche Jägerin hatte sie gerettet.
    Dornas Haare waren vom Wind zerzaust, ihr Gewand und ihre Gamaschen dreckverschmiert. Mit grimmigem Gesicht knallte sie das Fenster zu, lehnte sich dagegen und lauschte. Dann fuhr sie zu Bryony herum. »Du dummes Ding«, schimpfte sie. »Und du, Winka …« Sie brach ab, und der Ärger auf ihrem Gesicht verging. »Winka?«
    Niemand antwortete. Bryony drehte sich um. Winka lag eine Armeslänge von ihr entfernt auf dem Teppich. Ihre Augen waren geschlossen, ihr Gesicht kreidebleich.
    »Zum Kuckuck!«, stöhnte Dorna müde. Sie bückte sich, stellte Bryony auf die Beine und drückte sie auf einen Stuhl. »Bleib hier sitzen und rühr dich nicht vom Fleck. Ich klingle nach der Heilerin.«
     
    »Sie ist nur ohnmächtig geworden«, sagte Baldriana und richtete sich auf. Winka lag auf dem Sofa. »Ich werde ihr beim Aufwachen etwas Kamillentee geben. Ansonsten braucht sie Ruhe, um sich zu erholen.«
    »Die hat sie mit dem Mädchen nicht«, sagte Dorna mit einem Blick auf Bryony. »Du kommst mit mir. Dann kannst du der Königin selber erklären, was passiert ist.«
    »Das wird nicht notwendig sein«, sagte eine näselnde Stimme, und alle drehten sich um. In der Tür stand Hasenglöckchen, die Kammerdienerin der Königin. »Ihre Majestät schickt mich, um Erkundigungen einzuholen. Verstehe ich richtig, dass dieses Kind« – Hasenglöckchen machte eine Pause und erschauerte ein wenig – »tatsächlich die Eiche verlassen hat?«
    »Ja, und zwei Herzschläge später wäre sie im Schlund des Menschenjungen verschwunden«, antwortete Dorna. »Wenn wir nicht sowieso schon so wenige wären, würde ich sagen, das dumme Ding hat es verdient.«
    »Menschenjunge?« Bryony ließ sich das seltsame Wort auf der Zunge zergehen.
    »Aber das ist unmöglich«, rief Hasenglöckchen beunruhigt. »Genau aus diesem Grund erneuert die Königin doch jeden Morgen den Schutzzauber um die Eiche: um die Menschen fernzuhalten.«
    »Bei erwachsenen Menschen funktioniert er auch zweifellos«, erwiderte Dorna. »Aber Kinder
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher