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Rebecka Martinsson 01 - Sonnensturm

Rebecka Martinsson 01 - Sonnensturm

Titel: Rebecka Martinsson 01 - Sonnensturm
Autoren: Åsa Larsson
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verbergen. Der tote Blick. Sie ziehen den Einkaufswagen zwischen den Regalen hindurch wie beinahe zu Tode gepeitschte Esel und sind taub für das Weinen oder das hektische Geplapper der Kinder.
    Thomas Söderberg tritt einen Schritt vor. Zuerst sieht er sie nicht an. Mit gespannten, wachsamen Bewegungen öffnet er den Reißverschluss seines Overalls und nimmt die Brille ab. Seit ihrer letzten Begegnung hat er sich eine neue zugelegt, aber das ist ja auch schon lange her. Er sieht sich im Zimmer um wie ein Befehlshaber in einem Science-Fiction-Film, registriert alles, die Kinder, die Axt in der Ecke und Rebecka am Küchentisch. Danach entspannt er sich. Lässt die Schultern sinken. Seine Bewegungen werden weicher, wie bei einem Löwen auf Savannenbummel.
    Und nun wendet er sich Rebecka zu.
    »Erinnerst du dich an das Osterfest, als du mich und Maja hierher eingeladen hattest?«, fragt er. »Es kommt mir vor wie eine andere Zeit. Zuerst hatte ich geglaubt, ich würde den Weg nicht mehr finden. In der Dunkelheit und im Sturm.«
    Rebecka mustert ihn. Er zieht Mütze und Handschuhe aus und stopft sie in die Overalltaschen. Seine Haare sind nicht dünner geworden. Ein paar graue Sprenkel in dem nussbraunen Farbton, ansonsten hat er sich gar nicht verändert. Als sei die Zeit stehen geblieben. Vielleicht hat er ein wenig zugenommen, aber im Grunde ist ihm das nicht anzusehen.
    Vesa Larsson lehnt am Türrahmen. Er atmet mit offenem Mund und dreht sein Gesicht leicht nach oben, wie um eine aufsteigende Übelkeit zu unterdrücken. Seine Blicke wandern zwischen Curt und Thomas und Rebecka hin und her. Die Kinder sieht er nicht an.
    Warum sieht er die Kinder nicht an?
    Curt wippt langsam auf den Fußballen hin und her. Sein Blick hängt abwechselnd an Rebecka und an Thomas.
    Was wird jetzt passieren? Wird Curt das Gewehr von der Schulter nehmen und sie erschießen? Eins, zwei, drei, dann ist es vorbei. Schwarz. Sie muss Zeit gewinnen. Nun rede schon, Frau. Denk an Sara und Lova.
    Rebecka stützt sich mit den Händen auf die Tischplatte und stemmt sich vom Stuhl hoch.
    »Setzen«, befiehlt Thomas, und sie sinkt wie ein geprügelter Hund auf ihren Hintern.
    Sara jammert, wacht aber nicht auf. Sie dreht sich im Bett um und atmet dann wieder tief und regelmäßig.
    »Warst du das?«, fragt Rebecka mit heiserer Stimme. »Warum?«
    »Es war Gott selbst, Rebecka«, sagt Thomas ernst.
    Sie kennt diesen ernsten Ton und diese Haltung. So sieht er aus, und so hört er sich an, wenn er seinen Zuhörern wichtige Dinge einprägen will. Dann verändert sich sein ganzes Wesen. Dann wirkt er wie ein aus dem Boden geschossener Felsblock. Der im tiefsten Erdinneren verwurzelt ist. Durch und durch erfüllt von Ernst, Stärke, Kraft. Und zugleich von Demut gegenüber Gott.
    Warum führen sie dieses Schauspiel für sie auf? Aber nein, es ist nicht für Rebecka gedacht, sondern für Curt. Thomas Söderberg … er manipuliert Curt.
    »Und die Kinder?«, fragt sie.
    Thomas senkt den Kopf. Jetzt hat sein Tonfall etwas Sprödes. Etwas Brüchiges. Seine Stimme scheint die Wörter nicht richtig tragen zu können.
    »Wenn du nicht …«, beginnt er. »Ich weiß nicht, wie ich dir vergeben soll, dass du mich dazu zwingst, Rebecka.«
    Wie auf ein unsichtbares Zeichen hin, legt Curt den rechten Handschuh ab und zieht eine Rolle Hanfschnur aus einer Tasche seines Overalls.
    Rebecka wendet sich Curt zu. Presst ihre Stimme vorbei an dem Kloß, der ihre Kehle blockiert.
    »Du liebst Sanna doch«, sagt sie. »Wie kannst du sie lieben und ihre Kinder töten?«
    Curt schließt die Augen. Wieder wippt er langsam hin und her und scheint sie nicht gehört zu haben. Dann bewegen sich seine Lippen eine Weile lautlos, dann endlich antwortet er:
    »Sie sind Schattenkinder«, sagt er. »Sie müssen weichen.«
    Wenn sie ihn nur zum Reden bringen kann! Zeit gewinnen. Sie muss nachdenken. Hier ist ein Leitfaden. Thomas lässt ihn reden, er wagt nicht, einzugreifen.
    »Schattenkinder? Wie meinst du das?«
    Sie legt den Kopf schräg und lässt ihre Hand auf ihrer Wange ruhen, so, wie Sanna das immer macht, sie gibt sich alle Mühe, ruhig zu sprechen.
    Curt redet ins Zimmer hinein und starrt die Gasollampe an. Als sei er allein hier. Oder als sitze im Licht irgendein Wesen und höre ihm zu.
    »Ich habe die Sonne im Rücken«, sagt er. »Vor mir fällt mein Schatten. Er geht vor mir her. Aber wenn ich eintrete, muss er weichen. Sanna wird neue Kinder bekommen. Sie wird mir zwei
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