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Raylan (German Edition)

Raylan (German Edition)

Titel: Raylan (German Edition)
Autoren: Elmore Leonard
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nicht so dick wie der mit der Einverständniserklärung, die die alte Dame an drei verschiedenen Stellen unterschreiben sollte –, sagte: »Meine alte Mutter.«
    »Schön, Sie besuchen sie«, sagte der Fahrer. »Sie bringen Süßigkeit für sie?«
    »Wenn sie Süßigkeiten isst, kriegt sie Pickel.«
    »Ja? Wie alt sie ist?«
    »Ich glaube, sie wird bald achtzig.«
    »Sie haben noch Zähne?«
    »Ich habe ihren Mund nicht untersucht, aber ich glaube, schon lange nicht mehr.«
    »Kaufen Sie Süßigkeit, das sie kann lutschen.«
    Boyd konnte nicht sagen, woher der Mann kam, auf jeden Fall nicht aus einem Land in der Nähe Amerikas. »Das Leben als Ehefrau eines Bergmanns hat sie alt gemacht.«
    »Er sterben?«
    »Ja. Ist erschossen worden.«
    »Oh, Sie wissen, wer ihn hat erschossen?«
    »Ja, aber das sage ich Ihnen nicht.«
    »Sie sagen okay? Sie nicht erschießen ihn?«
    Boyd sagte: »Woher kommen Sie?«
    »Ich kommen hierher aus Albanien«, sagte der Fahrer, »aber nicht Moslem. Wenn ich müssen erschießen eine Mann, ich erschieße.«
    Er bog in die Zufahrt zum Pflegeheim St. Elizabeth. Boyd stieg aus, bezahlte, sagte zu dem Fahrer, »Sie sollten versuchen, ihre Gefühle unter Kontrolle zu behalten, Partner«, und betrat das Gebäude. Zwei Stockwerke roter Backstein, dekorativ mit weißen Elementen abgesetzt, ein hübscher Ort, um seine letzten Tage zu verbringen. Innen allerdings war es alles andere als hübsch. Es roch nach alten, sich den ganzen Tag lang einnässenden Menschen. Eine Frau führte ihn einen Korridor hinunter, um eine Ecke und einen weiteren Korridor entlang bis zum Zimmer von Marion Culpepper.
    ***
    Sie saß in einem Schaukelstuhl, über ihren Beinen hing eine Steppdecke, die bis zum Boden reichte. Mit ihrem strähnigen, am Kopf klebenden Haar und den eingesunkenen Augen wirkte sie, als sei sie dem Tod bereits recht nah. In ihren Nasenlöchern steckten Sauerstoffschläuche, die unter der Decke ebenfalls zum Boden führten. Als Repräsentant des Kohlekonzerns sagte Boyd: »Sie haben es aber schön hier, Ms. Culpepper.« Das Zimmer war möbliert mit dem Schaukelstuhl, einem Holzstuhl, einer Kommode und einem Bett, das sich auf Knopfdruck verstellen ließ. An der Wand hing ein Bild von Jesus bei der Offenbarung seines heiligen Herzens.
    Es war ein Zimmer zum Sterben.
    Boyd sagte: »Hey, wie schön, Sie haben ja sogar ein eigenes Bad.«
    Ms. Culpepper sagte: »Sollten Sie mir nicht was zu trinken mitbringen?«
    Boyd legte die Stirn in Falten. »Ich habe nur diese Unterlagen hier bekommen.«
    »Ich habe der Schwester gesagt, dass sie das jedem ausrichten soll, der zu Besuch kommt.«
    »Mir hat sie nichts gesagt«, sagte Boyd.
    »Miz Conlan hat auch noch nie was mitgebracht.«
    »Wie gesagt, ich habe nur die Papiere dabei, die Sie unterschreiben sollen, eine Besitzurkunde für den Wohnwagen und Ihre Einverständniserklärung. Hier steht, dass Sie sich mit fünfhundert Dollar im Monat abfinden lassen, oder Sie streichen das durch und schreiben hin, dass Sie erst unterschreiben, wenn Sie soundsoviel bekommen. Das können Sie dann mit Ms. Conlan besprechen, sie hat diesen Vertrag hier aufgesetzt. Oder aber«, sagte Boyd, »Sie unterschreiben, und ich bringe Ms. Conlan dazu, alle von Ihnen gewünschten Änderungen nachträglich einzufügen.« Er dachte kurz nach und sagte dann: »Wissen Sie was, wir machen’s so: Während Sie die Unterlagen unterschreiben, laufe ich schnell raus und besorge Ihnen eine Flasche Schnaps.«
    »Otis fehlt mir«, sagte Marion.
    »Kann ich mir vorstellen, aber Sie sind doch ganz bald wieder bei ihm, oder nicht?«
    »Der Arzt sagt, ich habe noch ganze Jahre in den Knochen. Ich bin ja auch erst neunundsechzig. Er hat gesagt, ich habe nur eine ganz leichte Staublunge. Dass meine Lungen geröstet sind, kommt davon, dass ich mein ganzes Leben billigen Tabak geraucht habe.«
    Boyd sagte: »Versuchen Sie doch, der Schwester ein paar Oxys abzuluchsen.«
    »Sie hat gesagt, ich soll die Schmerzen aushalten. Aber von dieser Konzernfrau lasse ich mir keine Dreistigkeiten mehr bieten. Sie ist immer geizig. Erst brüllt sie mich an, dass ich entweder nehmen muss, was sie mir anbietet, oder gar nichts kriege.Ich habe gesagt: ›Was glauben Sie, welches Jahr wir haben? 1940?‹ Alles hat angefangen mit Otis’ gottverdammtem Fischteich. Wenn ich damit gedroht habe, die Fische zu braten, ist er hoch auf den Old Black und hat uns ein paar Eichhörnchen geschossen. Einmal hat er sogar einen Elch
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