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Raue See

Raue See

Titel: Raue See
Autoren: Ralph Westerhoff
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eingelassen. Darin befand sich eine Flüssigkeit, von der nicht nur er wusste, wozu sie diente.
    Bergmüller schien gänzlich unbeeindruckt von der Bedrohung durch Schürmann. Er ging schnurstracks mit dem Messer auf Randolph zu, sodass Schürmann sich gezwungen sah, einen Warnschuss in die Decke abzugeben. Betonteilchen und Staub rieselten zu Boden.
    Doch Bergmüller machte einen weiteren Schritt vorwärts. Ein zweiter Schuss direkt vor seine Füße ließ ihn kurz zurückschrecken. Dann holte er aus, um auf den unbewaffneten Randolph einzustechen. Der stand wie angewachsen und wich keinen Millimeter zurück.
    Schürmann zielte auf Bergmüllers Beine und drückte ab. Der Schuss traf das Knie. Bergmüller jaulte auf, begann zu taumeln – und stürzte wie in Zeitlupe mit weit aufgerissenen Augen rückwärts in das mit Säure gefüllte Becken.
    Sekundenlang erfüllten unmenschlich klingende Schmerzschreie den Raum. Randolph hatte sich in Richtung der Tür zu Boden geworfen, um nicht von der aufspritzenden Schwefelsäure verletzt zu werden. Auch Günter und Schürmann waren in Deckung gegangen.
    »Sechzehn Kilo Kohlenstoff«, sagte Randolph schließlich. »Ich werde es nachwiegen.«
    Brodelnd und zischend verrichtete die Säure ihr Werk.
    »Er hat es verdient«, sagte Günter. Er ging zur Kamera, öffnete den Schacht, in dem sich die Speicherkarte befand, und nahm sie heraus. »Es ist wahrhaft selten, dass wir einen Fall von Nothilfe auch noch durch ein Video dokumentieren können. Danke, Herr Kollege.«
    »Sie hätten ihn getötet«, sagte Schürmann zu Randolph. »Das musste ich verhindern.«
    »Sie haben ihn getötet«, erwiderte der und rappelte sich auf. »Das ist jetzt was anderes?«
    »Ja, das ist es.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Dazu muss man wohl Jurist sein.«
    »Könnten die Herren der Schöpfung mal in Betracht ziehen, mich zu befreien?«, sagte Wiebke und zerrte an ihren Schellen.
    »Entschuldigung, Schatz«, erwiderte Günter. »Aber wir mussten erst mal einiges klären.«
    »Schon klar.« Trotz ihrer misslichen Lage musste sie lächeln. »Nur fühle ich mich hier etwas sehr auf dem Präsentierteller.«
    Während Günter mit Bergmüllers Folterwerkzeug die Schellen an Wiebkes Fuß- und Handgelenken löste, suchte Randolph irgendwas zum Anziehen für sie. Danach sah Wiebke zwar aus wie ein Harlekin auf Wanderschaft, aber das trübte ihre Erleichterung in keiner Weise.
    * * *
    Günter konnte sein Glück kaum fassen.
    »Schatz«, sagte er zu Wiebke, die sich auf dem Sofa im Erdgeschoss ganz eng an ihn kuschelte, während Dutzende von Polizisten durch das Haus liefen, um Beweise zu sichern. »Kannst du dir bitte abgewöhnen, dich andauernd aus der Hand irgendwelcher Psychopathen befreien zu lassen, mit denen du schläfst und die dich danach umbringen wollen?«
    »Versprochen«, sagte sie und hauchte ihm ein »Ich liebe dich«, ins Ohr.
    »Ich dich auch«, antwortete er. Dann küssten sie sich leidenschaftlich.
    * * *
    Noch in den frühen Morgenstunden hatten Wiebke, Günter, Randolph und Schürmann im Ostseehotel drei Zimmer bezogen und sich erst einmal richtig ausgeschlafen.
    Der Marketingchef hatte zwar so seine Zweifel, ob ein Serienmord wirklich eine gute Werbung für ein Ostseebad war, zeigte sich aber beruhigt, als ihm die Mitarbeiterin an der Rezeption gegen Mittag mitteilte, dass Damp »jetzt wirklich« ausgebucht war. Immerhin passierte es nicht jeden Tag, dass ein Urlaubsort die Topmeldung in allen Medien war.
    Der Wettergott meinte es gut mit ihnen, und sie genossen den Brunch auf der Terrasse des Ostseerestaurants mit Blick auf den Hafen. Randolph ging zu Schürmann und stieß ihn an. »Hätten Sie einen Augenblick Zeit?«, bat er.
    »Natürlich.« Schürmann stand auf. »Worum geht es?«
    »Ich wollte mich bei Ihnen bedanken. Sie hatten recht, mich aufzuhalten. Es wäre reine Rache gewesen.«
    »Keine Ursache.«
    Randolph lächelte. Sie klopften sich auf die Schulter.
    Als Randolph an den Tisch zurückkehrte, bemerkte er Günters und Wiebkes unsicheren Blick. »Was habt ihr?«, fragte er geradeheraus.
    »Wir beide«, druckste Günter herum, »Wiebke und ich, bitten dich um einen Gefallen.«
    »Welchen?«
    »Wir würden gern ein bisschen Zeit allein miteinander verbringen. Könntest du …«
    »Ich soll mich derweil um Jonas kümmern? Kein Problem«, sagte Randolph und dachte: Scheiße.

ACHTZEHN
    Für Wiebke war es wie der berühmte Gang nach Canossa. Auch wenn sie es nicht allein zu
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