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Ratgeber Neuropsychologie

Ratgeber Neuropsychologie

Titel: Ratgeber Neuropsychologie
Autoren: Karlheinz Amin und Schneider-Janessen Scheurich
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Erkrankungen des Gehirns viel befremdlicher und für das soziale Umfeld sehr belastend, wenn sie isoliert ohne andere Funktionsstörungen auftreten.
    Direkter ausgedrückt müssen Patienten oft feststellen, dass sie gereizter geworden sind und sich bereits über Kleinigkeiten aufregen. Sie sind geräuschempfindlicher oder reagieren in schwierigen Situationen eher nervös und ängstlicher als früher. Impulsives und verbal und auch körperlich aggressives Verhalten, das vor der Erkrankung nicht vorhanden war, kann plötzlich an der Tagesordnung sein. Es kann auch sein, dass die Patienten sich oft zurückziehen, häufig „herumhängen“, zu nichts Lust haben und schwer „in die Gänge“ kommen.
    Dies belastet natürlich den Umgang mit Angehörigen und Freunden. Ein besonderes Problem besteht darin, dass diese Verhaltensänderungen unter Umständen von den Betroffenen selbst nicht erkannt werden. Entsprechend besteht für sie kein Grund, an diesen Verhaltensänderungen zu arbeiten und sie – bzw. sich – besser in den Griff zu bekommen. „Die anderen sind doch schuld!“ „Die anderen haben sich verändert; ich reagiere nur darauf.“ Auch das mag sein. Für eine Verbesserung der Situation müssen jedoch auch die Patienten die neuen Schwierigkeiten wahrnehmen können. Neuropsychologische Therapie schließt hier gruppentherapeutische Verfahren ein. Der Austausch mit Menschen, die ebenfalls von einer Hirnschädigung betroffen sind, öffnet in der Regel die Augen auch für die eigenen Schwierigkeiten. Damit wird erst ermöglicht, unter fachlicher Anleitung an den Dingen zu arbeiten, die sich seit dem Schicksalsschlag verändert haben.
    Manchmal werden Schwierigkeiten durch die Patienten aber auch überschätzt. Sie trauen sich nichts mehr zu, glauben, dass alles doch keinen Sinn mehr hat. Sie fühlen sich schwach, niedergeschlagen und abhängig und resignieren. Diese Gefühle können eine Folge der Hirnschädigung sein, häufig sind sie aber auch Ausdruck dafür, dass das Unglück noch nicht verarbeitet ist. Darüber sollte gesprochen werden! Mit nahen Verwandten, mit guten Freunden und mit dem Neuropsychologen. Auf keinen Fall sollte man sich sozial abkapseln und denken, man sei nichts mehr wert. Jeder Mensch kann, wenn er will, trotz allem sich neue Fähigkeiten erarbeiten, seinen Wert für andere entdecken und neue Lebensfreude finden.

6
Bin ich „verrückt“,
weil ich eine Schädigung des Gehirns
davongetragen habe?
    Keinesfalls! Störungen der Gehirnfunktionen können zwar zu Verhaltensweisen führen, die für die Menschen des unmittelbaren Umfeldes nicht immer leicht zu verstehen sind, mit „Verrücktheit“ hat das aber nichts zu tun.
    Die Symptome beeinträchtigter Hirnfunktionen können die betroffenen Patienten und ihre Angehörigen außerordentlich verstören. Das kommt daher, weil unser zentrales Steuerungsorgan, das Gehirn, normalerweise reibungslos funktioniert und wir beispielsweise einen Bleistift als Bleistift mühelos erkennen und benennen können. Auch erkennen wir unsere vertraute Umgebung tatsächlich als vertraut und nicht als fremd. Wenn solch relativ einfache Wahrnehmungen nicht mehr gelingen, kann es vorkommen, dass ein Patient die Welt nicht mehr versteht und sich selbst nichts mehr erklären kann. Dadurch treten bei vielen Patienten Gefühle der Überforderung, Hilflosigkeit, Depression und Verzweiflung auf, die ihn zu seinen körperlichen Einschränkungen noch zusätzlich belasten.
    Mit all diesen Veränderungen werden auch die Angehörigen konfrontiert. Das veränderte Wesen des Ehepartners, des Sohnes oder der Tochter führt auch bei den Angehörigen zu Unsicherheit und Ratlosigkeit. Der Neuropsychologe macht den Patienten und ihren Angehörigen jedoch die Ursachen der ungewöhnlichen Eindrücke und Symptome verständlich. Damit wird die für alle Beteiligten quälende Verständnislosigkeit verringert.
    Durch die Schulung im Umgang mit den Beeinträchtigungen und der veränderten Wesensart weicht in der neuropsychologischen Therapie zusehends die unerklärliche und bedrohliche Fremdheit der Symptome. Stattdessen wird ein konstruktiver Umgang mit den Ausfällen und den geänderten Verhaltensweisen ermöglicht. Die Neuropsychologen unterstützen mittel- bis langfristig eine „Versöhnung“ der Patienten mit der eigenen Person und der eigenen, veränderten Rolle. Die Angehörigen wiederum werden in die Lage versetzt, die geliebte Person neu und manchmal tiefer als zuvor
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