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Ratgeber Neuropsychologie

Ratgeber Neuropsychologie

Titel: Ratgeber Neuropsychologie
Autoren: Karlheinz Amin und Schneider-Janessen Scheurich
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Was kann der Patient noch? Was kann er ausgleichen? Was kann er nicht mehr? Die neuropsychologischen Tests bringen sehr klar ans Licht, wie durch die Gehirnschädigung Denken und Verhalten eines Menschen beeinflusst werden. Wie lang kann sich ein Patient auf eine Aufgabe konzentrieren? Unter welchen Bedingungen schafft er eine Aufgabe und unter welchen Bedingungen schafft er sie nicht? Inwiefern überlagern emotionale oder psychologische Faktoren das neurologische Störungsbild? Für manche Patienten ist diese Untersuchung belastend, da sie unter Umständen viel direkter und deutlicher als im Alltag mit ihren Einschränkungen konfrontiert werden. Die meisten Patienten begrüßen jedoch die neuropsychologische Diagnostik. Sie fühlen sich durch die genaue Untersuchung ernst genommen und oft erstmals verstanden. Erst durch die Untersuchung beginnen auch viele Patienten zu verstehen, warum im Alltag so irritierende Probleme und Ausfälle auftreten. Während dieser Erstdiagnostik ist die psychologische Kompetenz der Neuropsychologen notwendige Bedingung. Sie ermöglicht es, in idealer Weise Gespräche zu führen. Sind die Patienten durch die Diagnostik belastet oder über die klare Darstellung der Einbussen gar erschrocken, kann der Neuropsychologe emotional begleiten und fachgerecht aufklären. Die Patienten gewinnen durch die fachgerechte Erklärung der Funktionseinschränkungen in der Regel wieder an Selbstwert und Selbstvertrauen und sagen schließlich: Jetzt erst recht!
    Es ist jedoch wichtig, auch die Grenzen der Aussagekraft zu kennen. Die Tests allein schreiben keine Prognose, kein Schicksal und keine Behandlungsform vor. Die Aussagekraft der Testuntersuchungen ist trotz aller Genauigkeit begrenzt und bedarf für die weitere Prognose und Behandlungsplanung spezifischer neuropsychologischer Expertise der genauen Befragung der Betroffenen und der Beobachtung des Verhaltens während der Testbearbeitung. Auch wenn Testuntersuchungen im neuropsychologischen Labor die Fähigkeiten und Defizite eines Patienten genau abbilden können: Sie beantworten nicht die Fragen, was vordringlich behandelt werden sollte und wie es behandelt werden muss. Zum Beispiel verändert eine Störung des räumlichen Vorstellungsvermögens und der räumlichen Informationsverarbeitung die Lebensgestaltung eines Zeichners, Technikers oder Hobbybastlers grundlegend, während Kaufleute, Erzieher oder „Leseratten“ davon in Beruf oder Freizeit vergleichsweise weniger eingeschränkt werden. Darüber hinaus hängen die Auswirkungen der Störungen auch davon ab, wie der Betroffene sie bewertet. Bei vergleichbarer Ausprägung einer Störung sieht die Therapie verschieden aus, wenn jemand seine Probleme unterschätzt, wenn er sie realistisch sieht, oder wenn er aufgibt oder sogar glaubt, für andere wertlos geworden zu sein.
    Kurzum: Testergebnisse helfen den Patienten und dem Behandlungsteam, die beeinträchtigten Funktionen zu identifizieren und gemeinsam relativ zu den beruflichen und sozialen Anforderungen zu gewichten. Sie lassen nur dann eine sinnvolle Aussage über Probleme und mögliche neuropsychologische Behandlungsformen zu, wenn dies auf der Basis einer qualifizierten psychologischen Gesamtbetrachtung der Persönlichkeit und Lebenssituation eines Menschen geschieht.

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Was ist eine
neuropsychologische Therapie?
    Neuropsychologische Therapien oder Behandlungen können sehr unterschiedlich aussehen. Eine neuropsychologische Therapie setzt immer am Leistungsprofil und an der aktuell vorliegenden Verhaltenssteuerung des individuellen Patienten an. Ein für alle Patienten anwendbares „Hirnleistungstraining“ gibt es nicht. Der Begriff der „Hirnleistungstrainings“ ist auch viel zu allgemein, schon das Beugen eines Zeigefingers ist eine Hirnleistung. Das Spektrum der Patienten mit Störungen der Hirnfunktionen reicht von schwer bewusstseinseingetrübten Patienten, die keinen Kontakt zur Außenwelt aufbauen können über Patienten mit umgrenzten Funktionsstörungen wie Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsstörungen, Gedächtnis- und Sprachstörungen bis hin zu Patienten mit psychischen Störungen wie Schizophrenie und Depression, bei denen neuropsychologische Symptome zum Krankheitsbild gehören. Zusätzlich zu den so unterschiedlichen Krankheitsbildern muss die Lebenssituation des Patienten berücksichtigt werden. Die Rehabilitation eines Feinmechanikers mit einer Aufmerksamkeitsstörung steht unter anderen Bedingungen als die eines
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