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Ramses Mueller

Titel: Ramses Mueller
Autoren: Tex Rubinowitz
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hier, aber »Wiedersehn macht Freude«. Schubal bringt das Bier.
    – Was ist DAS denn? Hab ich nicht gesagt, du sollst Bier holen?
    – Wieso? Is doch Bier.
    – Bitte, das kann man doch nicht trinken, ach, Mann, whatever, ist Pisse, wird zu Pisse.
    Sie trinken und schweigen, und schweigen und trinken, weil Reden wegen der Lautstärke doppelt so viel Aufwand an Energie kostet und sich beide deswegen gut überlegen, wie sie diese Energie sinnvoll einsetzen, das ist so wie Gehen auf Kies, ein Schritt = zwei Schritte, ihren frisch aufbereiteten Sauerstoff mit schnödem Smalltalk zu verschwenden, dafür erscheint er ihnen zu kostbar, wo kommst du her, was machst du so, wo wohnst du, das könnte man ja immer noch mal fragen, das läuft ja nicht davon, und wenn man am Ende doch drauf kommt, dass man sich nicht mag, muss man wenigstens diesen Ballast nicht mit sich rumschleppen, schon lästig genug, denkt sich Armin, dass er jetzt jemanden kennt, der so heißt wie einer aus einem Kafka-Roman, denn diese Mitteilung wird sich mit Sicherheit nicht so schnell wieder abschütteln lassen.
    Armin hat sich als Erster gesammelt und wagt einen neuerlichen Vorstoß:
    – Was hast du für Haußmann eigentlich gemacht, dass er dir danken würde? Im Abspann von Lehmann ?
    – Was ich da gemacht hab, du meinst, welche Leistung, oder was?
    – Oder hast du dir noch keine Geschichte ausgedacht? Dann red einfach los, ich hör gerne zu. Kleine Ungereimtheiten stören mich auch nicht.
    – Angefangen hat es bei Maxim Biller, als er gerade aus München nach Berlin gezogen war, gefl üchtet wohl eher, da hat er ’ne ganze Runde in den Roten Salon eingeladen, geschlossene Veranstaltung, hatte was von einer Flüsterkneipe, man kam nur rein, wenn man ein bestimmtes Code wort hatte, das man eine Stunde vor dem Treffen per SMS bekam (das Stichwort war natürlich Arse, wie »lustig«, Esra umgedreht), er zeigte so Filmchen, die er selbst für YouTube gedreht hatte, oder ließ das von einem an deren erledigen, Joachim Lottmann oder einem seiner anderen Vasallen, wenn er selber mal im Bild sein und was sagen wollte, was er weiß Gott nicht selten tat, Wackel kamera, unscharf alles, wie Dogma, also Dogma früher, das wurde dann mit einem Beamer direkt aus dem Internet an die Wand geklatscht, es war so eine angetrashte, private Esra-Dokumentation, wo er Leute befragte, teilweise auch auf der Straße, die sollten sagen, wie sie mit Zensur und so umgehen, Mephisto und so, das muss man sich mal vorstellen, ein Bäcker mit staubiger Schürze oder eine Blumenverkäuferin soll sich zu Mephisto äußern, hat sich auch selbst gefi3lmt, wie er heult, dass ihm das alles leid täte, Esra wäre sein Archipel Gulag und Rainald Goetz hätte nur Gulasch im Kopf, Mann, war das peinlich, wie ein Häufchen Elend, grau, ungepflegt, irgendwie gerupft hockte er da, zitternd wie ein Kolibri, der friert und ein viel zu dickes Ei legen will, aber nicht kann, er hingegen wolle Esra wieder zurück, er könne verzeihen, haha, dann zeigte er noch ein Exemplar von Esra rum, das er ihr gewidmet und wohl geschickt hatte, Ich liebe dich, hör auf dein Herz, lass dein Ohr entscheiden, es ist nur Druckerschwärze auf Papier stand da – mit Bleistift! Und drunter mit dickem Filzstift: DU KACKBRATZE! Das sei von ihr, und so zurückgekommen, das sollten wir uns mal vorstellen, das ist Kälte pur, echte Kälte, Esra ist das verknöcherte KPdSU-System, Betonknochen, Strafgericht mit Flammen, nichts anderes. Nur Freunde anwesend, die betreten auf den Fußboden und entsetzt in die Ecken starrten. Da habe ich so neben Leander gesessen und wir waren peinlich berührt von dem, was sich Biller da zusammengereimt hat. »Meine einzige Chance ist, meine eigene Gruppe 47 zu gründen. Ich bin meine Gruppe 47. Ich muss mich selbst kritisieren dürfen.« Blind hätten sich Haußmann und Schubal verstanden an diesem Abend. Und dann hat er angefangen, von diesem Thema zu reden, das er jetzt im Film verarbeitet hat, also nicht Biller mit seinen Märtyrer-Wackelfilmen, Leander meine ich. Ich hab ihm erzählt, aus meinem Leben, was da so geht und nicht, und das hat ihn inspiriert, hat er gesagt. Ich weiß nicht, was da wahr ist, aber später hat er gesagt, wenn ich den Film sehe, bei der Premiere, dann werde ich mich in der Hauptfigur erkennen. Aber das bezieht sich jetzt nicht auf Lehmann , das war wegen was anderem, das mit meiner Sache, das kommt ja noch, ich hab das gar nicht mitgekriegt, dass der noch
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