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Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel

Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel

Titel: Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel
Autoren: Christian Jacq
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erhelle. Als Verkörperung der Göttin Seschat, der Herrin über das Haus des Lebens, wandte Nefertari sich an Ramses:
    «Du hast Ägypten aufs neue Kraft und Mut gegeben, du bist sein Herr; als himmlischer Falke hast du deine Schwingen über dein Volk gebreitet. Für dein Volk bist du eine Wand aus himmlischem Metall, die keine feindselige Macht zu durchdringen vermag.»
    «Für Nefertari», antwortete der König, «habe ich einen Tempel erbaut, aus dem reinen Berg Nubiens gehöhlt, in schönem Sandstein, für immer.»
    Die Königin trug ein langes, gelbes Kleid, einen Halskragen aus Türkisen und goldene Sandalen. Ihre blaue Perücke krönte ein von zwei hohen Federn überragtes Rindergehörn, das die Sonne umschloß. In der rechten Hand hielt sie den Lebensschlüssel und in der linken ein biegsames Zepter, das Symbol für den zu Anbeginn der Welt aus den Wassern gesprossenen Lotos.

    Die Pfeiler im Tempel der Königin zierten lächelnde Antlitze der Göttin Hathor, und an den Wänden waren rituelle Szenen dargestellt, die Ramses, Nefertari und die Götter vereinten.
    Plötzlich stützte sich die Königin auf den Arm des Herrschers.
    «Was hast du, Nefertari?»
    «Nur eine kleine Schwäche…»
    «Sollen wir das Ritual unterbrechen?»
    «Nein, ich möchte jede Szene in diesem Tempel mit dir entdecken, jedes Wort der Inschriften lesen, jeder Opferung beiwohnen… Ist das nicht die Stätte, die du für mich errichtet hast?»
    Das Lächeln seiner Gemahlin beruhigte den König wieder. Er entsprach ihrem Wunsch, und sie erweckten jeden Teil des Tempels zum Leben, bis hin zum Naos, wo die himmlische Kuh, die Verkörperung der Hathor, aus dem Felsen heraustrat.
    Lange verweilte Nefertari im Zwielicht des Allerheiligsten, als könnte die Sanftmut der Göttin die Kälte vertreiben, die sich in ihre Adern schlich.
    «Ich möchte die Krönungsszene noch einmal sehen», bat sie.
    Zu beiden Seiten der in nahezu unwirklicher Zartheit dargestellten Königin standen Isis und Hathor und magnetisierten ihre Krone. Der Bildhauer hatte den Augenblick verherrlicht, da eine Frau dieser Welt in das göttliche Universum eingetreten war, um auf Erden seine Wirklichkeit zu bezeugen.
    «Nimm mich in die Arme, Ramses.»
    Nefertari fühlte sich eiskalt an.
    «Ich sterbe, Ramses. Ich sterbe, weil meine Kräfte schwinden, aber hier, in meinem Tempel, bei dir, so nahe bei dir, daß wir ein einziges Wesen bilden, für immer.»
    Der König drückte sie so fest an sich, daß er hoffte, ihr Leben erhalten zu können, dieses Leben, das sie verschwenderisch ihren Nächsten und ganz Ägypten geopfert hatte, um sie bösem Zauber zu entreißen.
    Ramses sah, wie die edlen, reinen Gesichtszüge der Königin erstarrten und ihr Kopf sich langsam neigte. Ohne daß sie dagegen aufbegehrt oder Furcht gezeigt hätte, erlosch Nefertaris Atem.
    Der Pharao trug die Große königliche Gemahlin auf seinen Armen, wie ein Bräutigam die Braut über die Schwelle seines Hauses trägt. Er wußte, daß Nefertari ein unvergänglicher Stern werden würde, daß sie im Jenseits zu neuem Leben erwachen und die Barke der ewigen Reise besteigen würde, doch wie hätte dieses Wissen das unerträgliche Leid lindern können, das ihm das Herz brach?
    Ramses schritt auf das Tor des Tempels zu. Mit leerer Seele und verlorenem Blick verließ er das Heiligtum.
    Wächter, der alte goldgelbe Hund, war soeben zwischen den Pranken des Löwen verschieden, der sacht den Kopf seines Gefährten leckte, um ihn vom Tod zu heilen.
    Der Schmerz des Königs war zu groß, als daß er hätte weinen können. In diesem Augenblick halfen ihm auch seine Macht und seine Größe nicht.
    Der Pharao hob den Leichnam seiner Gemahlin der Sonne entgegen. Er würde sie bis in alle Ewigkeit lieben, Nefertari, die Herrin von Abu Simbel, für die das Licht strahlte.

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