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Raine der Wagemutige

Titel: Raine der Wagemutige
Autoren: Connie Brockway
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nach Osten liegenden Räumen hinauf.
    Oben angekommen, wandte sie sich zur Seite und lief den Flur hinab zu dem schmalen Durchgang, der zu den aufs Meer hinausgehenden Zimmern führte. Raines Versteck war nahe des Nordturms. Wenn er hier war, dann war das der Ort, an dem sie ihn am wahrscheinlichsten finden würde. Wenn er wirklich noch hier war. Der Gedanke, dass er schon fortgegangen sein könnte, vertrieb etwas von ihrer Angst.
    Trotzdem, Muira würde auf der Jagd sein - eine verrückte, besessene Frau, deren sorgsam geschmiedete Pläne vereitelt worden waren - und so gut, wie Muira sich in Wanton's Blush auskannte, würde sie sicher bald herausgefunden haben, wo Raine sich aufgehalten hatte.
    Favor verlangsamte ihre Schritte, während ihre Augen sich an das dämmerige Licht gewöhnten. Fast auf der Mitte des Ganges sah sie einen silbernen Lichtschimmer unter einer Tür. Es war die Kapelle, in der die meisten von Janet McClairens Besitztümern achtlos verstaut worden waren.
    Bei dem Gedanken drängten sich Favor unwillkürlich Bilder von Raine auf, wie er den Haufen Gerümpel angesehen hatte, der einst der kostbare Besitz seiner Mutter gewesen war. Sie hatte die bedrückte, nachdenkliche Stimmung nicht verstanden, in der sie ihn hier vorgefunden hatte. Die Unterbrechung seiner Grübeleien durch ihre Ankunft hatte er erleichtert begrüßt. Auch Raine machten die Geister seiner Vergangenheit zu schaffen.
    Vorsichtig öffnete sie die Tür, trat ein und sah sich um. Ein reich verzierter Silberleuchter stand auf dem Boden, das Licht von einem Dutzend schlanker Wachskerzen spiegelte sich in dem glänzend polierten Metall. Sie runzelte die Stirn, ging ein paar Schritte weiter in die Kapelle und hörte, wie in ihrem Rücken die Tür krachend ins Schloss fiel.
    Sie fuhr herum. Ronald Merrick, Earl of Carr, stand hinter ihr. Er war wie ein Prinz gekleidet, eine strahlend elegante Erscheinung von Kopf bis Fuß. An seiner Seite trug er einen Degen, der in einer juwelenbesetzten Scheide steckte, auf seinem Kopf eine schneeweiße Beutelperücke, die von einer Diamantenschnalle geziert wurde. An seinem Rock schimmerten auf den hohen Ärmelaufschlägen in den Stoff gewebte Metallfäden, und die Knöpfe bestanden aus funkelndem Kristall. Sogar die Schnallen an seinen Schuhen glitzerten.
    „Ihr habt etwas mit Eurem Haar gemacht“, bemerkte er milde. „Bei Gott, es gefällt mir sogar. Ganz reizend.“
    Favor wusste nicht, wie sie antworten, was sie darauf erwidern sollte. In seinen Augen flackerte etwas Seltsames auf, doch seine Züge waren beherrscht.
    „Ich wusste, du würdest kommen, Janet. Du hast immer all deine hübschen Sachen geliebt, auch wenn . . .“, er sah sich kurz um, „sie nun nicht mehr hübsch sind.“
    „Sir, ich bin nicht Janet.“
    „Natürlich seid Ihr das nicht. Ihr seid Favor Donne, oder sollte ich lieber Favor McClairen sagen? Dachtet Ihr wirklich, ich wüsste das nicht? Selbstverständlich wusste ich es. Obwohl ich einräumen will, dass ich das erst seit Kurzem mit Sicherheit weiß. Rankle hat es mir bestätigt, bevor er bedauerlicherweise verschieden ist. Ein Hähnchenknochen, denke ich.“
    Lieber Gott, er hatte den kleinen Kammerdiener umgebracht.
    „Macht Euch keine Sorgen, meine Liebe, ich hatte es schon vermutet, als Euer Bruder hier war. Ich werde deswegen noch mit ihm reden müssen, wenn - falls - er zurückkehrt. Doch das hat nichts mit Euch und mir zu tun. Es kümmert mich nicht, wer Ihr seid, weil. . .“, er kam auf sie zu, „ . . . weil ich ebenfalls weiß, dass Ihr den Geist meiner lieben Janet in Euch tragt.“
    Langsam stieß sie den unwillkürlich angehaltenen Atem aus und stand völlig reglos da, während er eine Strähne ihres Haares aufnahm und sie sich lässig um einen Finger wand. „Wirklich sehr hübsch. Ich erkläre mich von diesem Ton völlig eingenommen.“
    Ihr Lächeln war zittrig.
    „Es ist wirklich zu schade, dass Ihr sterben müsst.“
    Sie zuckte zurück, völlig unvorbereitet für das plötzliche Todesurteil, während er nur lächelte, dann leise mit der Zunge schnalzte, als ob er ein erschrecktes Pferd beruhigen wollte. „Aber, aber, Janet. Du bist doch irgendwo da drinnen und hörst zu, nicht wahr Janet? Weil nämlich alles, was ich zu sagen habe, fürchte ich, an Miss Donne verschwendet sein würde.“
    Er würde sie ohnehin umbringen. Es ergab keinen Sinn. „Warum?“ fragte sie flehentlich mit heiserer Stimme.
    „Weil ich es nicht zulassen kann, dass du
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