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Raine der Wagemutige

Titel: Raine der Wagemutige
Autoren: Connie Brockway
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nicht, und sie spürte, wie ein Schauer durch seinen Körper rann, hörte, wie er scharf einatmete, so als habe er Schmerzen. Sie sprach rasch weiter, entschlossen, ihn von diesem finsteren Ort fortzuholen, ihn einen Augenblick lang mitzunehmen in die strahlende Zukunft, die sie nie zusammen erleben würden.
    Sie berührte seinen Mund, versuchte ihn zu beschwichtigen. „Und wie viele Kinder hätten wir bekommen?“
    „Dutzende.“ Seine Stimme war belegt. „Alle mit leuchtend rotem Haar und strengen dunklen Augenbrauen und . . .
    Oh, Gott, ich kann das hier nicht tun. Ich werde es nicht tun!" Damit schlug er mit seiner Faust in hilflosem Zorn auf die Tür.
    Leise schwang sie auf.
    Favor starrte noch verwundert darauf, während Raine schon ihre Hand ergriff und sie hinter sich aus dem Turm zog. Sie gelangten in den breiten Korridor, der in die Eingangshalle mit der großen Treppe führte. Teile der Decke waren herabgestürzt und brannten auf dem Boden weiter, während Flammen aus dem Loch oben nach unten schlugen und die eine Wand hinter einem Vorhang aus Feuerzungen verbargen.
    Ein Lakai, der einen leeren Sack trug, lief ein Stück vor ihnen. Eine Küchenmagd tauchte schreiend in einer Türöffnung auf, schlug nach den Flammen, die an ihren Röcken hochkletterten, weigerte sich aber, das Silbertablett abzustellen, das sie in den Händen hielt. Sie wirbelte zurück in den Raum, aus dem sie gekommen war und ward nicht mehr gesehen.
    Raine und Favor blieben stehen. Sie mussten nur noch an dem Berg aus Putz und brennendem Holz vorbei, der von der Decke in die Halle gestürzt war. Die Hitze war überwältigend, überzog ihre Wangen mit Ruß und versengte ihr Haar. Sie waren der Rettung so nahe, sie mussten nur noch die eine Ecke umrunden, um die Eingangstür zu erreichen. Aber die Flammen, die aus dem Haufen vor ihnen schlugen, loderten hoch.
    Kurz entschlossen drehte Raine sie um. Er packte eine Hand voll Stoff von ihrem Kleid und riss mit einem kräftigen Ruck ihre schweren Röcke ab. Dann hob er Favor auf seine Arme, warf sie sich über die Schulter, und mit einem erstickten Fluch rannte er über den brennenden Haufen. Auf der anderen Seite ließ er sie zu Boden und trat die glimmenden Sohlen seiner Stiefel aus, bevor er ihr winkte, ihm zu folgen. Sie nahm seine Hand. Nur noch wenige Schritte. Sie umrundeten die Ecke, die sie in die Eingangshalle und zur Tür brachte.
    Da stand, was eigentlich unmöglich war, direkt vor der Tür nach draußen ein lebensgroßes Porträt von Janet McClairen. Irgendjemand musste es dort hingestellt haben. Aber wer? Es stand in Flammen, die bemalte Leinwand rollte sich an den Ecken, und kleine fahlgelbe Flammen fraßen sich
    langsam vom Rand in die Mitte vor, zerstörten das Gesicht mit dem anziehenden, einseitigen Lächeln, der arroganten Nase und den wunderschönen, wissenden Augen. Während sie wie gebannt zusahen, verschwand Janets Gesicht und gab den Blick frei auf die Bespannung dahinter und das Lederpäckchen, das daran befestigt war. Dann fing auch die Bespannung auf der Rückseite Feuer, und das Bündel fiel hinab.
    „Raine?“
    Er kniete nieder und nahm rasch das schwere Lederpäckchen, band es auf und öffnete es. Ein grimmiger keltischer Löwe von der Größe einer Männerhand starrte ihn aus murmelgroßen Rubinaugen an.
    „Der McClairen-Schatz“, sagte Raine ehrfürchtig.
    „Glaubst du, dass .. . dass irgendjemand es hier hingestellt hat, damit du es finden kannst?“ fragte sie. Die Flammen hinter ihnen kamen näher.
    Irgendjemand hatte das getan. Raine schaute auf den leeren Bilderrahmen, ein Stirnrunzeln ließ eine steile Falte zwischen seinen Augenbrauen entstehen, und dann, so wie das Feuer Janets schönes Gesicht verbrannt hatte, verschwand das Stirnrunzeln, und seine Miene wurde zärtlich, warm und von leidenschaftlicher Gewissheit erfüllt. Er schloss das Päckchen und steckte es sich in seinen Hosenbund.
    „Raine?“ fragte Favor noch einmal.
    „Aye“, sagte er. „Das glaube ich. Meine Mutter war es, Favor. Sie hat es uns als Hochzeitsgeschenk gegeben, und das werde ich bis zu dem Tag, an dem ich sterbe, glauben.“
    Er hielt ihr seine Hand hin. Sie ergriff sie.
    Zusammen gingen sie aus der brennenden Burg, die Granitstufen hinab und an den sich ängstlich zusammendrängenden Reihen von Dienern und Gästen vorbei.
    Und sie warfen nicht einen Blick zurück.
    -ENDE -
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