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Rage Zorn

Rage Zorn

Titel: Rage Zorn
Autoren: Brown Sandra
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zu jedem, der bei dir anruft –, dass wir die Menschen, die wir lieben, respektieren sollen.«
    Â»Das stimmt. Ich glaube –«
    Â»Tja, mit Respekt kommt man nicht weiter, deshalb pfeife ich von jetzt an darauf, was du meinst.«
    Sie war keine Psychologin und keine staatlich geprüfte Therapeutin, sondern nur Radiomoderatorin. Eine Ausbildung, die darüber hinausgegangen wäre, hatte sie nicht. Trotzdem nahm sie ihre Rolle als spätabendliche Freundin ernst.
    Wenn ein Anrufer außer ihr keinen Menschen hatte, mit dem er oder sie reden konnte, war sie seine anonyme Seelentrösterin. Ihre Zuhörer kannten nur ihre Stimme, aber sie vertrauten ihr. Paris diente ihnen als Vertrauensperson, als Ratgeberin, als Beichtpfarrerin.
    Die Menschen teilten ihre Freuden mit ihr, sie schilderten ihre Sorgen, und hin und wieder offenbarten sie ihre Seele. Die Anrufe, die sie nach sorgfältiger Überlegung auf Sendung nahm,
erweckten das Mitgefühl der anderen Hörer, lösten Glückwünsche aus und bisweilen auch hitzige Kontroversen.
    Oft wollten die Anrufer lediglich ihrem Ärger Luft machen. Sie diente als Puffer. Sie war ein praktisches Ventil für Menschen, die schlicht und einfach stinksauer auf diese Welt waren. So gut wie nie war sie die Zielscheibe des Zorns, aber diesmal war das offensichtlich anders, und das war durchaus beunruhigend.
    Falls Valentino am Rande eines Nervenzusammenbruchs stand, dann könnte sie zwar nichts an den Ursachen ändern, aber eventuell könnte sie ihn vom Abgrund wegführen und ihn überreden, professionelle Hilfe zu suchen.
    Â»Sprechen wir darüber, Valentino. Was beschäftigt Sie so?«
    Â»Ich respektiere die Frauen. Wenn ich eine feste Freundin habe, dann ist sie meine Göttin. Ich behandle sie wie eine Prinzessin. Aber das reicht ihnen nicht. Frauen können nicht treu sein. Jede einzelne betrügt mich vor meinen Augen. Und wenn sie mich schließlich verlässt, rufe ich bei dir an, und du erklärst mir dann, dass es nicht meine Schuld war.«
    Â»Valentino, ich –«
    Â»Du sagst, ich hätte nichts falsch gemacht, es wäre nicht meine Schuld, dass sie mich verlassen hat. Und weißt du was? Du hast ganz Recht. Ich bin nicht schuld, Paris. Sondern du . Diesmal bist du schuld.«
    Paris sah kurz über ihre Schulter auf die schalldichte Studiotür. Natürlich war sie zu. Der Korridor hinter den Fenstern zum Gang hatte noch nie so düster ausgesehen, obwohl das Gebäude während ihrer Nachtsendungen immer im Dunkeln lag.
    Sie wünschte, Stan würde zufällig vorbeikommen. Sogar Marvin wäre ihr ein willkommener Anblick gewesen. Sie wünschte, irgendwer, egal wer, würde diesen Anruf mithören und ihr helfen, ihn richtig zu deuten.
    Sie überlegte, ob sie einfach auflegen sollte. Niemand wusste, wo sie lebte, niemand wusste auch nur, wie sie aussah. Das hatte sie in ihrem Vertrag mit dem Radiosender zur Bedingung gemacht:
Sie hatte keine Liveauftritte. Genauso wenig durfte ihr Bild zu Werbezwecken verwendet werden, worunter Zeitungsanzeigen, Fernsehwerbung und Reklametafeln fielen, ohne dass es sich darauf beschränkt hätte. Paris Gibson war nur ein Name und eine Stimme, sie hatte kein Gesicht.
    Trotzdem konnte sie guten Gewissens nicht einfach auflegen. Wenn er sich etwas zu Herzen genommen hatte, das sie während einer Sendung gesagt hatte, und schlecht damit gefahren war, dann war es verständlich, dass er wütend auf sie war.
    Andererseits hätte jeder halbwegs vernünftige Mensch, wenn er mit einem ihrer Ratschläge nicht einverstanden wäre, die Sache schlicht auf sich beruhen lassen. Valentino hatte ihr eine größere Rolle in seinem Leben eingeräumt, als sie einnehmen sollte oder wollte.
    Â»Erklären Sie mir, inwiefern es meine Schuld war, Valentino.«
    Â»Du hast ihr geraten, sie soll mir den Laufpass geben.«
    Â»Das habe ich bestimmt nicht –«
    Â»Ich habe es selbst gehört! Sie hat vorgestern Abend angerufen. Ich hatte das Radio an. Sie hat nicht gesagt, wie sie heißt, aber ich habe sie an ihrer Stimme erkannt. Sie hat dir unsere ganze Geschichte erzählt. Dann hat sie gesagt, ich wäre eifersüchtig und besitzergreifend.
    Du hast ihr geantwortet, wenn sie das Gefühl hätte, unsere Beziehung würde sie einengen, sollte sie etwas dagegen unternehmen. Mit anderen Worten, du hast ihr geraten, mich in
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