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Rätsel des Nordens (Thenasia) (German Edition)

Rätsel des Nordens (Thenasia) (German Edition)

Titel: Rätsel des Nordens (Thenasia) (German Edition)
Autoren: Franz Grömmer
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wieder zu Bett zu gehen, doch sein Geist warnte ihn und ließ
den König, ausharren.
    Also setzte er sich auf einen
wuchtigen Eichenstuhl und ließ den Blick durch das Schlafgemach wandern. Seit
fünfzehn Jahren verbrachte er hier gemeinsam mit seiner Frau die Nächte. Noch
immer war der Raum an Schlichtheit kaum zu überbieten. Neben dem Bett aus
einfachem Buchenholz befanden sich noch zwei Stühle, eine Kommode und ein
Spiegel in dem Zimmer. Letzterer war ein Geschenk Thormirs gewesen, der ihn
Regnir und Ingmir überreichte, nachdem beide den Lebensbund geschlossen hatten.
    Der König leerte den Kelch, um
ihn Sekunden später erneut zu befüllen. Die Stille der Nacht war bedrückend. Er
blickte aus dem Fenster zum Mond hinauf. Wie konnte ein solches Objekt am
Himmel so formvollendet sein? Und was brachte ihn dazu, in einem so reinen
Licht zu leuchten? Die Kinder nannten den Mond immer „die Nachtsonne“, obgleich
sie bei Weitem nicht so warm strahlte, wie ihr Tagespendant.
    Regnir ließ seinen Blick nun
schweifen. In so mancher Hinsicht erinnerte ihn die gegenwärtige Stunde an die
drei Träume. Ein Schauer lief über seinen Rücken, denn die Welt war wie damals
in ein metallisches Blau gehüllt. „Komm zur Besinnung!“, sagte sich der König.
„Es waren ausschließlich Illusionen, die ich im Fieber gesehen hatte.“
    Trotzdem fühlte er sich sicherer,
als er sein Schwert unter dem Bett hervorgeholt und an die Wand gelehnt hatte.
Zumindest die sich jetzt in Griffweite befindliche Klinge vermittelte ein
Gefühl von Sicherheit, wenngleich es nur diffus ausgeprägt sein mochte. Ein
letztes Mal wollte Regnir aus dem Fenster schauen und etwas Luft schnappen,
bevor er sich wieder zu Bett begeben würde. In dem Moment, als er sich gesetzt
und nach draußen gesehen hatte, wurde eine schauerliche Kette von Erscheinungen
ausgelöst: Ein heranziehender Schatten verdunkelte den Mond und erstickte sein
Licht. Aus der Dunkelheit sah der König die schwarzen Umrisse eines großen
Schwarms Fledermäuse heranschwirren, der anschließend über der Stadt zu kreisen
begann. Die Stille wurde mit einem Male aus der Ferne durch das Heulen eines
Wolfsrudels unterbrochen.
    Panikartig zog Regnir das dichte
Fenstergitter hoch und sah hilflos dem Treiben außerhalb der Königshalle zu.
Was mochte da vor sich gehen? Es tobte ein Sturm, wie man einen solchen noch
nie zuvor erlebt hatte. Allerdings verstummte das Jaulen und Knurren der wilden
Tiere so plötzlich, wie es begonnen hatte und die Nacht legte sich abermals
lautlos über die Welt, während weiterhin die Fledermäuse über Eisenhand
flatterten, wenngleich ihre Flügelschläge kaum zu hören waren. Trügerisch
verweilte dieser Moment für einige Minuten. Doch dann zerschnitt ein grausamer
Schrei schlagartig die jungfräuliche Ruhe und erschütterte die Stadt in ihren
Grundfesten. Der König war sich sicher: Er glich aufs Äußerste jenem, den er
erst kurz zuvor vernommen und der ihn jäh aus dem Schlaf gerissen hatte. Mit
weit geöffneten Augen stierte Regnir aus dem Fenster. Schweiß perlte über seine
Stirn. Ein Wind kam auf und hieß die Wipfel der Bäume, sich zu verneigen.
    Ingmir war zwischenzeitlich
aufgewacht und hatte an der Seite ihres Mannes Schutz gesucht. Sie zitterte
angesichts der über ihnen tobenden Gewalten.
    „Dies ist kein Laune der Natur“,
flüsterte Regnir und legte seine Arme ihre Schulter.
    Im nächsten Moment barst in den
unteren Gemächern Holz und der Boden stöhnte. Der Wind entwickelte sich unter
dem abermaligen Aufjaulen der Wölfe kurzerhand zum Sturm. Das Kerzenlicht
begann zu flackern. In der unteren Stadt liefen einige Menschen furchtgeplagt
zusammen, um das spektakuläre Ereignis zu beobachten. Plötzlich riss der Sturm
ab, die Baumwipfel standen wieder still und das Getöse der Nacht erstarb.
Regnir blickte zum Himmel auf. Der Schatten verschwand gen Norden und das
Mondlicht hüllte die Welt erneut in ein sanftes Silber. Das Rudel Wölfe trabte
in der Ferne von dannen, während der Schwarm der Fledermäuse noch dreimal über
den Giebeln der Stadt kreiste, bevor er nach Norden hin abdrehte. Es war
vorbei.
    Regnir ließ sich mit Ingmir auf
das Bett fallen und beide blieben für einige Minuten lang still sitzen. Was
hatte man da soeben gesehen? Das ganze Geschehen war so mysteriös wie
unerwartet über sie hereingebrochen. Beide dankten den Göttern, dass sie den
Sturm unbeschadet überstanden hatten. Ihr gemeinsamer Sohn war unterdessen
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