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Raecher des Herzens

Titel: Raecher des Herzens
Autoren: Jennifer Blake
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blieb, dass das Geschlecht nicht ausstarb. Ein solcher Stammhalter gereichte seinem Vater zur Ehre, nahm ihm gewisse familiäre und gesellschaftliche Verpflichtungen ab und erbte natürlich den größten Teil des Vermögens. Kurz und gut: Eine Tochter betrachtete man als Bürde, während ein Sohn als Segen galt.
    Rio wusste das sehr gut, denn in der spanischen Aristokratie herrschten ähnliche Verhältnisse. Früher hatte er all diese Konventionen und Gesetze als gottgegeben erachtet, obwohl es ihm als Knabe oft peinlich gewesen war, wenn sein Vater ihn den Schwestern vorzog. Doch nachdem seine Eltern und Geschwister in den katalonischen Bergen im Sommerhaus der Familie bei einem Feuer umgekommen waren, hatte nicht zuletzt das ganz auf den Sohn ausgerichtete Erbrecht ihn in höchste Gefahr gebracht.
    »Dann hat Sie wohl Ihr Vater zu mir geschickt?« Rio legte bei dieser ungeheuerlichen Frage mit gespielter Unschuld den Kopf schief. »Wenn er Sie so wenig schätzt, wäre es doch nicht weiter verwunderlich, dass er Ihnen die Aufgabe zuschiebt, bei mir vorzusprechen.«
    »Sie kennen ihn nicht, sonst würden Sie nicht so über ihm reden. Sein Stolz würde das niemals zulassen. Außerdem glaubt er ohnehin nicht an weibliche Überredungskünste.«
    Rio fand diese Aussage bemerkenswert und hätte viel dazu zu sagen gewusst. Doch er begnügte sich mit einem einzigen Satz. »Er ist ein Narr.«
    »Wohl kaum.«
    »Wie Sie meinen. Aber sicher gehört auch er zu den Männern, die ihre Töchter lediglich als eine Art Zierrat betrachten. Ich frage mich«, fuhr Rio nachdenklich fort, »was er wohl täte, wenn er wüsste, dass Sie zu mir gekommen sind und damit Ihren Ruf aufs Spiel setzen.«
    »Er wird es nicht erfahren.« Celina presste die Lippen so fest aufeinander, dass sie blass wurden.
    »Auch nicht von Ihrer Zofe?«
    »Sie ist mir treu ergeben.«
    »Dazu beglückwünsche ich Sie. Dennoch finde ich es bemerkenswert, dass Sie so viel riskieren.«
    »Das war unvermeidbar, denn in gewisser Weise scheine ich der Grund für das bevorstehende Duell zu sein.«
    Sie wusste es also. »Ihr Bruder hat es Ihnen gesagt? Das war nicht besonders klug von ihm.«
    »Denys und ich waren schon als Kinder ein Herz und eine Seele, und in den letzten drei Jahren sind wir noch näher zusammengerückt. Früher oder später erfahre ich stets alles, was ihn bewegt.«
    »Ein Gentleman belastet die Frauen der Familie nicht mit solchen Angelegenheiten.«
    »Ach, ich bitte Sie«, sagte Celina. Dabei triefte ihre Stimme plötzlich vor Sarkasmus. »Die Gesetze des Code Duello mögen Männern heilig sein, aber eine Frau empfindet sie als lächerlich. Außerdem verstehe ich nicht, warum Sie glaubten, in einer öffentlichen Spielhalle abfällig von mir sprechen zu müssen. Sie kennen mich doch gar nicht. Soweit ich weiß, sind wir uns nie begegnet, haben vor heute Abend nie auch nur ein einziges Wort miteinander gewechselt.«
    Das stimmte. Die Väter, Brüder, Vettern und entfernten männlichen Bekannten junger Damen aus gutem Hause mochten sich gelegentlich herablassen, einem armseligen M aitre d’Armes eine gewisse Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. In Bars und Restaurants, in den Spielhallen, beim Pferderennen, bei der Bullenhatz und bei öffentlichen Tanzveranstaltungen mochten sie ihn wohl grüßen und mit ihm sprechen. Vielleicht besuchten sie sogar sein Fechtstudio, imitierten seinen Kampfstil, ließen ihre Westen nach dem Vorbild seiner Westen schneidern oder ahmten seine vollendete Verbeugung nach. Aber nie würden sie ihm die Türen ihrer Häuser öffnen oder ihn zu den privaten Bällen einladen, auf denen ihre Töchter, Schwestern und Cousinen unter den wachsamen Augen ihrer Anstandsdamen das eine oder andere Tänzchen wagten. Diesen wohlbehüteten jungen Damen wurde er niemals vorgestellt.
    Vor langer Zeit, als er noch ein junger Mann mit großen Ländereien, einem Vermögen und einer viel versprechenden Zukunft gewesen war, hätte er Zugang zu diesen Kreisen gehabt. Aber jetzt nicht mehr.
    »Nein«, sagte er leise. »Wir sind einander nie begegnet.«
    »Unsere Pfade haben sich nie gekreuzt?«
    »Nein, jedenfalls nicht so, wie Sie es meinen.«
    »Ich habe nie jemanden verletzt oder jemandem geschadet, der Ihnen nahe stand?«
    »Nein.«
    »Dann weiß ich nicht, wie Sie dazu kommen, etwas
    Ehrenrühriges über mich zu sagen. Man könnte fast glauben, es geschah nur in der Absicht, das Duell, das mir solches Kopfzerbrechen bereitet, zu
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