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Rächende Geister

Rächende Geister

Titel: Rächende Geister
Autoren: Agatha Christie
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bedeuten?«
    Renisenb überlegte, ehe sie antwortete: »Wenn du mich so direkt fragst, Hori, dann weiß ich es wirklich nicht.«
    Hori sagte: »Jetzt werden auf einem großen Besitztum nur wenige Schreibkundige gebraucht, aber der Tag wird kommen, da es in Ägypten Scharen von Schreibkundigen gibt.«
    »Das wird gut sein«, meinte Renisenb.
    »Ich bin da nicht so sicher«, gab Hori zurück.
    Renisenb betrachtete ihn forschend. Dann sagte sie bedächtig: »Ich glaube, ich weiß, was du meinst. Nur die Dinge, die man sehen und berühren und essen kann, sind wirklich. Es bedeutet nichts niederzuschreiben: ›Ich habe zweihundertvierzig Scheffel Gerste‹, wenn man sie nicht tatsächlich hat. Man könnte Lügen schreiben.«
    Hori lächelte über ihre ernste Miene. Ganz unvermittelt bemerkte Renisenb: »Du hast mir einst meinen Löwen wieder instand gesetzt, erinnerst du dich?«
    »Ja, ich erinnere mich, Renisenb.«
    »Jetzt spielt Teti damit… Es ist derselbe Löwe.« Sie machte eine Pause, dann fuhr sie schlicht fort: »Als Khay zu Osiris ging, war ich sehr traurig. Doch nun bin ich heimgekehrt, und ich werde wieder glücklich sein und vergessen – denn hier ist alles wie früher. Nichts, gar nichts hat sich geändert.«
    »Glaubst du das wirklich?«
    Renisenb blickte ihn forschend an.
    »Was meinst du damit, Hori?«
    »Ich meine, dass es immer Veränderungen gibt. Acht Jahre sind acht Jahre.«
    »Nein, nein, ich möchte, dass alles ist wie früher!«
    »Aber du selbst bist ja auch nicht mehr die gleiche Renisenb, die mit Khay fortging.«
    »O doch! Und wenn nicht, so werde ich es bald wieder sein. Und du bist derselbe geblieben, Hori.«
    »Das denkst du nur, aber es stimmt nicht.«
    »Doch, doch, und Yahmose ist der gleiche geblieben, so sorgenvoll und behutsam. Satipy befiehlt ihm wie früher, und sie und Kait haben ihren üblichen Streit, und dann versöhnen sie sich wieder lachend; Henet schleicht lauschend umher und gebärdet sich unterwürfig; und meine Großmutter macht ein Aufhebens um ein Stück Linnen! Genau wie früher. Und bald wird mein Vater heimkommen, und dann gibt es große Aufregung, und er wird sagen: ›Warum hast du dieses getan und jenes unterlassen?‹ Yahmose wird bekümmert dreinblicken, und Sobek wird frech darüber lachen. Mein Vater wird den jetzt sechzehnjährigen Ipy verwöhnen, wie er ihn verwöhnt hat, als er acht Jahre alt war, und nichts wird sich geändert haben!«
    Atemlos hielt sie inne.
    Hori seufzte. Dann entgegnete er freundlich: »Du begreifst nicht, Renisenb. Es gibt das Übel, das von außen kommt, das sichtbar ist, wenn es angreift, aber es gibt auch noch eine andere Verderbnis, die innerlich ausgebrütet wird, die sich äußerlich nicht zeigt. Sie wächst langsam, Tag für Tag, bis schließlich die ganze Frucht verfault ist, von Krankheit zerfressen.«
    Renisenb starrte ihn an.
    »Was meinst du damit? Was ist dieses Übel, von dem du sprichst?«
    Er sah sie an, und plötzlich lächelte er.
    »Vergiss, was ich gesagt habe, Renisenb. Ich dachte an die Krankheiten, die die Früchte des Feldes befallen.«
    Sie stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.
    »Da bin ich aber froh. Ich dachte… ach, ich weiß nicht, was ich dachte.«

2
    Dritter Monat der Überschwemmung – 4. Tag
     
    S atipy sprach mit Yahmose. Ihre Stimme klang schrill.
    »Du musst dich behaupten! Das sage ich. Du wirst nie etwas taugen, wenn du dich nicht behauptest. Dein Vater befiehlt dieses und jenes und macht dir Vorwürfe, wenn du etwas unterlassen hast. Und du hörst ihm widerspruchslos zu, entschuldigst dich, weil etwas nicht getan worden ist – etwas, das oft ganz unmöglich zu machen wäre! Dein Vater behandelt dich wie ein Kind, wie einen Knaben! Als ob du so alt wie Ipy wärst.«
    Yahmose versetzte ruhig: »Mein Vater behandelt mich keineswegs wie Ipy.«
    »Das stimmt.« Satipy ging sofort zu erneutem Angriff über. »Er ist ganz vernarrt in den verwöhnten Bengel! Mit jedem Tag wird Ipy unerträglicher. Er stolziert umher, rührt keine Hand und tut so, als ob alles, was von ihm gefordert wird, zu schwer für ihn wäre! Es ist eine Schande. Und all das, weil er weiß, dass dein Vater immer seine Partei ergreifen wird. Du und Sobek, ihr solltet etwas dagegen unternehmen.«
    Yahmose zuckte die Schultern.
    »Was –?«
    »Du machst mich noch wahnsinnig, Yahmose – das sieht dir ähnlich! Du hast keinen Mut. Du bist schwach wie ein Weib. Allem, was dein Vater sagt, stimmst du zu!«
    »Ich liebe
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