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Radegunde von Thueringen

Radegunde von Thueringen

Titel: Radegunde von Thueringen
Autoren: Simone Knodel
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der Giso entgegenritt und die Mannschaft mit der kostbaren Fracht nach Tours umleitete. Ein zweiter Bote eilte direkt nach Tours, um den Abt des Klosters zu informieren, und ein dritter ritt mit einem langen Brief in der Satteltasche zum Königshof nach Metz.
    Am Tag darauf brach Radegunde selbst nach Tours auf. Ihre Neugier auf den Erfolg der Reise war zu groß, als dass sie in Poitiers einfach abwarten konnte. Sie nahm Basina mit, weil sie eine der wenigen Nonnen war, die gut und sicher auf einem Pferd reiten konnten. Die Reise mit einem Wagen hätte ihr zu lange gedauert.
    In der benachbarten Stadt wurden ihre Nerven noch einmal auf eine harte Probe gestellt. Zwei lange Tage verbrachte sie als Gast im Kloster, bis endlich die erlösende Nachricht kam, dass ein Tross Reisender die Stadttore passiert habe. Zum Entsetzen der Mönche raffte sie ihre Kutte und rannte dem Zug entgegen. Basina zögerte nicht lange und folgte ihr.
    Bereits an der nächsten Wegkreuzung zügelte ein bärtiger, sonnengebräunter Reiter mit schütterem Haar sein Pferd vor ihr. Eine rosafarbene Narbe zog sich quer über sein Gesicht.
    In letzter Sekunde erkannte sie ihn. „Giso!“
    Er sprang aus dem Sattel und umarmte sie. „Radegunde!“ Sein gesundes Auge leuchtete wie eh und je, allerdings glitzerte es verdächtig darin.
    „Hast du den …?“
    Er nickte. „Ich hatte es dir versprochen, erinnerst du dich?“
    „Gott segne dich!“ Die Freude ließ ihr Gesicht leuchten.
    Er zog eine säuerliche Miene. „Meinst du, er sieht darüber hinweg, dass ich nicht ins Wasser getaucht wurde?“
    „Eine Taufe meinst du? Das können wir doch nachholen!“ Sie lachte. „Doch jetzt erzähle, was hast du alles erlebt? Wie war es am Hof des Kaisers und hast du …?“
    Verlegen brach sie ab. „Entschuldige. Du bist sicher erschöpft. Wir werden euch erst im Kloster einquartieren, du kannst essen und auch schlafen, wenn du willst.“
    „So lange hältst du nicht durch. Ich wette, du platzt vor Neugier, während ich schnarche.“ Er lachte und nahm sein Pferd am Zügel. Die Männer des Trosses ritten gemächlich nebenher.
    Im Kloster wurde unter den Augen der staunenden Mönche eine große unscheinbare Truhe vom Packpferd genommen und in die Kapelle getragen. Dort öffnete Giso im Beisein von Radegunde, Basina und dem Abt die Kiste, indem er sein Schwert als Hebel benutzte. Feierlich hob er den Deckel ab und legte ihn beiseite. Seine drei Zuschauer traten näher. Giso lächelte verschwörerisch und zog ein sorgfältig mit grober Wolle umwickeltes Paket hervor. Bedächtig entfernte er das Tuch.
    „Aah!“, entfuhr es dem Abt und Basina schrie entzückt auf.
    Zum Vorschein kam ein etwa ellenlanges Kästchen, das von einem meisterhaften Goldschmied angefertigt worden sein musste. Es bestand aus purem Gold und war mit tiefgrünen Steinen besetzt, die das Kerzenlicht in der Kapelle tausendfach wiedergaben. Vorsichtig stellte Giso das edle Gehäuse auf den Altar.
    „Öffne es selbst!“ Er nickte Radegunde zu.
    Sie sah den Abt fragend an, doch der starrte noch immer verzückt auf das wertvolle Reliquiar. Sie trat an den Altar, bekreuzigte sich ehrfürchtig und klappte den zierlichen Deckel auf. Das Kästchen war mit dunkelrotem Stoff ausgelegt, den geschickte Hände mit zarten Goldfäden bestickt hatten. Darin eingebettet lag ein glatt poliertes Stück Holz, dessen Enden in fein gehämmertes Gold eingefasst waren. In der Mitte des etwa handlangen Splitters prangte ein Rubin.
    ,Wie ein großer Blutstropfen‘, dachte Radegunde und vergaß beinahe, zu atmen. Sie kniete nieder, der Abt und Basina folgten ihrem Beispiel.
    „Pater noster, qui es in cælis: sanctificétur Nomen Tuum; advéniat Regnum Tuum; …“
    Giso verließ leise die Kapelle. Im Refektorium fand er seine Gefährten bei einem Krug Bier und einer deftigen Mahlzeit.
    Am nächsten Tag fand sich Gelegenheit für Giso, von der langen Reise zu erzählen. Die Mönche saßen nach der Frühmesse mit staunenden Augen beisammen und lauschten dem Bericht.
    „… Der Kaiser Justinian und seine Frau empfingen uns selbst. Sie nahmen uns herzlich auf und ließen uns auf das Beste versorgen. Beinahe jeden Abend mussten wir erzählen, von König Sigibert und auch von dir, Radegunde. Sie konnten nicht genug hören vom Bau deines Klosters …“
    Radegunde hörte voller innerer Unruhe zu. Noch nicht einmal war der Name Amalafrids gefallen. Wusste er denn nicht, dass sie darauf am meisten wartete?
    „Gleich
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