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Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Titel: Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)
Autoren: Marian Keyes
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Familie auf den Hals gehetzt hatte. Ich war wütend auf sie, und sie schien aus irgendeinem Grund wütend auf mich zu sein. Aber Brigit war meine beste Freundin, und wir hatten immer zusammengewohnt. Es kam gar nicht in Frage, dass jemand anders bei ihr einzog.
    »Da hast du aber viel verstanden«, sagte ich trocken.
    Er schwieg.
    »Unheimlich viel«, sagte ich, jetzt mit weinerlicher Stimme.
    Ich verteidigte mich längst nicht so gut wie sonst. Aber um ehrlich zu sein, dieser Krankenhausaufenthalt hatte mich nicht nur meinen Mageninhalt gekostet, sondern auch eine Menge Kraft. Ich fühlte mich schwach und war nicht in der Lage, den Kampf gegen meinen Vater aufzunehmen, und das sah mir gar nicht ähnlich. Mit meinem Vater zu streiten, kam bei mir so instinktiv wie meine Weigerung, mit schnurrbärtigen Männern zu schlafen.
    »Es hindert dich also nichts daran, nach Hause zu kommen und dein Leben wieder ins Lot zu bringen«, sagte Dad.
    »Aber ich habe eine Katze.« Das war gelogen.
    »Dann suchst du dir eine neue«, sagte er.
    »Aber ich habe einen Freund«, sagte ich.
    »Dann suchst du dir einen neuen«, sagte Dad.
    Er hatte leicht reden.
    »Gib mir noch mal Margaret, wir sehen uns dann morgen«, sagte Dad.
    »Ich denke gar nicht dran«, murmelte ich.
    Und damit schien die Sache besiegelt. Zum Glück hatte ich zwei Valium genommen, sonst hätte mich das Gespräch wahrscheinlich sehr, sehr unglücklich gemacht.
    Margaret saß neben mir. Irgendwie war sie die ganze Zeit in meiner Nähe, fiel mir auf.
    Nachdem sie mit Dad gesprochen hatte, beschloss ich, dem ganzen Spuk ein Ende zu machen. Es war an der Zeit, dass ich mein Leben wieder in die Hand nahm. Denn das hier war nicht lustig, es war nicht unterhaltsam und nicht amüsant. Es war unangenehm und vor allem völlig unnötig.
    »Margaret«, sagte ich forsch, »ich habe gar nichts. Es tut mir leid, dass ihr umsonst hierhergekommen seid, und jetzt fahr bitte wieder weg und nimm deinen Mann mit. Das hier ist ein riesiger, enormer, schrecklicher Irrtum.«
    »Das glaube ich nicht«, sagte sie. »Brigit hat mir erzählt...«
    »Was Brigit sagt, spielt keine Rolle«, unterbrach ich sie. »Ehrlich gesagt mache ich mir Sorgen um Brigit. Sie ist in letzter Zeit so komisch. Früher war sie richtig lustig.«
    Margaret sah mich zweifelnd an und sagte dann: »Du nimmst anscheinend wirklich viele Drogen.«
    »Dir kommt das vielleicht viel vor«, erklärte ich sanft. »Aber du bist eben auch eine Schleimerin, dir würde alles viel vorkommen.«
    Es stimmte, dass Margaret eine Schleimerin war. Ich hatte vier Schwestern, zwei ältere und zwei jüngere, und Margaret war die einzige, die wirklich brav war. Früher musterte unsere Mutter uns manchmal und sagte traurig: »Na ja, eine von fünfen, so schlecht ist das gar nicht.«
    »Ich bin keine Schleimerin«, protestierte sie. »Ich bin einfach nur normal.«
    »Das stimmt, Rachel.« Paul meldete sich zu Wort und nahm Margaret in Schutz. »Sie ist keine Schleimerin. Bloß weil sie kein ... kein Junkie ist und arbeitslos und von ihrem Mann sitzengelassen worden ist ... im Gegensatz zu anderen«, fügte er düster hinzu.
    Ich erkannte sofort die Schwachstelle in seiner Argumentation.
    »Mein Mann hat mich nicht sitzengelassen«, verteidigte ich mich.
    »Bloß, weil du keinen hast«, erwiderte Paul.
    Offenbar spielte Paul auf meine älteste Schwester Claire an, deren Mann sich an dem Tag aus dem Staub gemacht hatte, als sie ihr erstes Kind bekam.
    »Und eine Stelle habe ich auch«, sagte ich.
    »Jetzt nicht mehr.« Er grinste.
    Wie ich ihn verabscheute!
    Und er verabscheute mich. Ich nahm das nicht persönlich. Er verabscheute meine ganze Familie. Es fiel ihm nicht leicht zu entscheiden, welche von Margarets Schwestern er am meisten verabscheute. Das war kein Wunder, denn unter uns tobte ein harter Kampf um die Position des schwärzesten Schafes. Da war Claire, einunddreißig, die sitzengelassene Ehefrau. Ich, siebenundzwanzig, angeblich ein Junkie. Anna, vierundzwanzig, die noch nie richtig gearbeitet hatte und manchmal mit Haschisch dealte, um sich über Wasser zu halten. Und dann Helen, zwanzig, und bei ihr wusste man gar nicht, wo man anfangen sollte.
    Wir verabscheuten Paul ebenso inbrünstig wie er uns.
    Auch Mum verabscheute ihn, obwohl sie es nie zugeben würde. Sie tat gern so, als würde sie jeden mögen, weil sie hoffte, so schneller einen Platz im Himmel zu bekommen.
    Paul war so ein aufgeblasener Wichtigtuer. Er trug die
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