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Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Titel: Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)
Autoren: Marian Keyes
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entgegen wie ein Ertrinkender das Rettungsseil.
    »Guckt mich nicht so an«, sagte ich leise, als Margaret und Paul mich mit blassen, besorgten Gesichtern ansahen. »Ich bin deprimiert. Und überhaupt, seit wann darf ich keinen Alkohol trinken?«
    »Solange du es nicht übertreibst«, sagte Margaret. »Versprichst du mir das?«

    Anscheinend hat Mum die Nachricht, dass ich drogensüchtig war, sehr schlecht aufgenommen. Meine jüngste Schwester Helen und sie sahen sich gerade eine Vorabendsendung im Fernsehen an, als Dad ihr die Nachricht brachte. Offenbar kam er, nachdem er mit Brigit telefoniert hatte, ins Wohnzimmer geschossen und platzte heraus: »Deine Tochter ist drogensüchtig.«
    Mum sagte nur: »Hmmm?« und wandte den Blick nicht von dem Geschehen auf dem Bildschirm ab.
    »Aber das weiß ich doch«, ergänzte sie noch. »Warum regst du dich so auf?«
    »Nicht Anna«, sagte Dad verärgert. »Ich meine es ernst. Es geht nicht um Anna. Ich spreche von Rachel!«
    Offenbar nahm Mums Gesicht daraufhin einen merkwürdigen Ausdruck an, und sie stemmte sich hoch. Dann tastete sie sich – während Dad und Helen, der eine nervös, die andere frohlockend, ihr zusahen – blind in die Küche, legte den Kopf auf den Küchentisch und fing an zu weinen.
    »Drogensüchtig«, schluchzte sie. »Das überlebe ich nicht.«
    Dad legte ihr tröstend die Hand auf die Schulter.
    »Anna vielleicht«, klagte sie. »Anna bestimmt. Aber nicht Rachel. Es ist schon schlimm genug mit einer, Jack, aber zwei? Und ich weiß auch nicht, was sie immer mit der Alufolie machen. Wirklich! Anna braucht massenweise davon, und wenn ich sie frage, was sie damit macht, kriege ich keine vernünftige Antwort.«
    »Sie wickelt das Hasch in kleine Päckchen, um es zu verkaufen«, erklärte Helen hilfsbereit.
    »Mary, hör mal auf, von der Alufolie zu faseln«, sagte Dad und versuchte, einen Plan zu meiner Rettung zu entwerfen. Dann drehte er sich plötzlich zu Helen um. »Was macht sie damit?«, fragte er entsetzt.
    Inzwischen war Mum wütend geworden.
    »Ach, du sagst also, ich soll aufhören zu faseln, ja?«, wandte sie sich an Dad. »Für dich ist es ja leicht, so was zu sagen. Du brauchst ja auch nicht den Truthahn zu braten, und wenn du ihn in die Folie wickeln willst, um ihn in den Backofen zu schieben, findest du nur noch die Papprolle. Es ist schließlich nicht dein Truthahn, der trocken und schrumpelig aus dem Ofen kommt.«
    »Mary, bitte, um Himmels willen ...«
    »Wenn sie mir nur sagen würde, dass sie sie genommen hat, dann wäre es ja nicht so schlimm. Wenn sie die Papprolle draußen liegen lassen würde, dann würde ich ja dran denken, neue Alufolie zu kaufen ...«
    »Fällt dir der Name von der Klinik ein, in die dieser Mann eingewiesen wurde?«, fragte er.
    »Welcher Mann?«
    »Du weißt schon, der Mann, der Alkoholiker, der das ganze Geld unterschlagen hat, er ist verheiratet mit der Schwester von der, mit der du immer zu deinem Kaffeekränzchen gehst, du weißt genau , wen ich meine.«
    »Patsy Madden, meinst du den?«, fragte Mum.
    »Genau den!« Dad war hoch erfreut. »Du könntest mal herausfinden, wo der war, um sich behandeln zu lassen.«
    »Aber Rachel hat kein Alkoholproblem«, protestierte Mum.
    »Ich weiß«, sagte Dad, »aber da behandeln sie alle möglichen Sachen. Alkohol, Drogen, Spielsucht, Esssucht. Heutzutage kann man nach fast allem eine Sucht entwickeln.«
    Dad kaufte jeden Monat zwei Frauenzeitschriften. Angeblich für Helen und Mum, aber eigentlich für sich. Deshalb kannte er sich mit allem Möglichen aus, wovon Väter sonst keine Ahnung hatten: Selbstverstümmelung, freie Radikale, Modetrends, Jean Paul Gaultier und wo es die besten Sonnenstudios gab.
    Mum telefonierte also herum und zog diskret Erkundigungen ein. Wenn jemand nachfragte, sagte sie, dass ein entfernter Cousin von Dad eine übermäßige Vorliebe für Alkohol zeigte, bedankte sich für die Auskunft und legte schnell auf.
    »Cloisters«, sagte sie.
    »Cloisters!«, wiederholte Dad erleichtert. »Es hat mich ganz verrückt gemacht, dass mir das nicht mehr eingefallen ist. Ich hätte kein Auge zugetan, ich hätte die ganze Nacht wach gelegen und gegrübelt ...«
    »Ruf da mal an«, unterbrach Mum ihn unter Tränen.

3
    D er Aufenthalt in Cloisters kostete ein Vermögen. Deswegen war es bei vielen Popstars so beliebt. In manchen Fällen übernahm die Krankenkasse die Kosten, aber da ich seit ungefähr acht Jahren nicht mehr in Irland lebte, hatte ich keine
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