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Rachedurst

Rachedurst

Titel: Rachedurst
Autoren: J Patterson
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die Bäume vorbeizogen. Der Zug legte an Geschwindigkeit zu.
    »Springt!«, rief er. »Los, sofort!«
    Ich hob Elizabeth auf meine Arme, während ich mich gleichzeitig zur Tür drehte – und dann sprang ich einfach hinaus.
    Diesem Sprung folgte kein »Beine anziehen und rollen«, sondern nur ein dumpfer Aufprall – meine Füße berührten kaum den Boden, bevor ich mich auf den Rücken fallen ließ,
um Elizabeth zu schützen. Das Knacken stammte von der nächsten Rippe, die in meinem Brustkorb brach. Ein unerträglicher Schmerz schoss durch meinen Körper.
    Elizabeth noch immer in den Armen haltend, drehte ich mich zum Zug, dessen Waggons an uns vorbeirollten. Der Triebwagen mit der Bombe an Bord wurde immer kleiner. Aber nicht klein genug.
    »Schnell hoch und weg hier!«, rief Keller.
    Ich stand mit Elizabeth auf, während Keller meinen Arm packte, um mich zu führen. Wir rannten das Gleis entlang und versuchten so viel Abstand zwischen uns und den …
    Rums!

100
    »Dark Side Of The Moon oder Wish You Were Here?«, fragte Anne Gram, eine der beiden OP-Schwestern, die den OP-Saal im Jacobi Medical Center vorbereiteten. Sie suchte auf dem iPod die Musik für Dr. Al Sassoon heraus, den zuständigen Chirurgen und begeisterten Pink-Floyd-Fan.
    Ruth Kreindler, die perfekte Ergänzung zu ihrer Kollegin, blickte von dem sterilen Tuch auf, das sie gerade über Joseph D’zorios Genitalbereich legte, die einzige Stelle des Patienten, die nicht gebrochen, durchlöchert, zerkratzt oder gerissen war.
    »Sieht ganz so aus, als müssten wir beide Alben und noch einen Teil von The Wall hören.« Ruth schüttelte den Kopf. »Al und seine Pink Floyd.«
    »Hey – er ist gut, und die Arbeit mit ihm macht Spaß.«
    Die zwei Frauen, beide Anfang vierzig, hatten ihre Liste abgearbeitet und sogar zweimal die Absauggeräte kontrolliert, die in letzter Zeit öfter verstopft gewesen waren. Alles in allem reine Routine, obwohl sie wussten, dass der bewusstlose, Sauerstoff atmende Mann auf dem Tisch kein gewöhnlicher Patient war.
    »Glaubst du, dass alle Menschen es verdienen, gerettet zu werden?«, fragte Anne schließlich.
    Ruth drehte sich um; sie wollte sichergehen, dass sie noch immer mit dem berüchtigten Mafiaboss allein waren. Das waren sie. »Meinst du medizinisch oder spirituell?«, fragte sie. »Das könnte man nämlich so und so sehen.«
    Anne zuckte mit den Schultern. »Eher medizinisch.«

    »Ich weiß, was du sagen willst, aber ein Krankenhaus ist kein Gerichtssaal. Du weißt, was ich meine?«
    »Ja. Aber trotzdem.«
    Ruth blickte zu D’zorio hinab. »Ich sag’s mal so«, begann sie. »Ein Typ wie dieser stellt meinen Glauben auf die Probe. Berechtigte Wut steht gegen Vergebung.«
    »Wer gewinnt?«, wollte Anne wissen.
    »Die Vergebung, vermute ich. Spirituell können alle Menschen gerettet werden.«
    Anne nickte, doch in ihren Augen standen Zweifel. Sie konnte es nicht laut aussprechen, doch insgeheim hoffte sie, dass Dr. Sassoon seinen freien Tag hatte oder zumindest nicht zu Höchstleistung auffuhr.
    »Was hast du gesagt?«, fragte Ruth.
    Anne hatte nichts gesagt. Sie war damit beschäftigt gewesen, sich vorzustellen, wie Dr. Sassoon »zufällig« einen Tupfer in D’zorios Brustkorb vergaß.
    Doch sie hatte es auch gehört. Jemand im OP-Saal hatte etwas gesagt.
    Gleichzeitig blickten sie auf den OP-Tisch zu D’zorio hinab. Er bewegte seine dünnen, bläulichen Lippen.
    »Konntest du das verstehen?«, fragte Anne.
    »Ich bin mir nicht sicher.« Ruth beugte sich zu D’zorios Mund hinunter. Anne schob ihren Kopf daneben.
    »Tut mir l… l…«, sagte D’zorio mit kaum hörbarer Stimme. »Tut mir leid.«
    Zumindest war es das, was die beiden hörten.
    »Er gesteht seine Sünden«, vermutete Anne.
    »Oder versucht es«, sagte Ruth und ging zum Wandtelefon.
    Sie rief in der Krankenhauskapelle an, um zu fragen, ob D’zorios Priester eingetroffen sei. Man hatte ihnen gesagt, er
sei schon auf dem Weg, um dem Mafiaboss die letzte Ölung zu verpassen.
    Offenbar fing D’zorio ohne ihn an.
    Ruth hing noch immer am Telefon, weil sich am anderen Ende niemand meldete, als das Herzüberwachungsgerät anfing zu piepsen.
    »Oh, Gott!«, stöhnte Anne, die noch bei D’zorio stand. »Er kriegt einen Herzstillstand!«
    Ruth legte auf und rannte hinaus, wo Dr. Sassoon gerade mit seiner Handdesinfektion fertig war.
    Doch es war zu spät. An diesem Nachmittag würden sie in dem OP-Saal keine Pink Floyd zu hören bekommen. Joseph
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