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Rachedurst

Rachedurst

Titel: Rachedurst
Autoren: J Patterson
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D’zorio hatte sich in den Tod gefüchtet.
    Wie heißt es in einem ihrer Lieder? »Like a distant ship’s smoke on the horizon …«

101
    Wie eine Dampfwalze stürmte Bruno Torenzi durchs Gebüsch. Mit den Händen schob er die Äste zur Seite, während er angestrengt lauschte, ob ihm jemand folgte. Er wartete auf die Explosion auf dem Zuggleis. Ein rascher Blick auf seine Uhr verriet ihm, dass es nicht mehr lange dauern würde. Eigentlich müsste es jede Sekunde passieren, und er hörte bereits die gesamte Tonfolge in seinem Kopf – eine Symphonie von Klängen, angefangen beim ersten donnernden Knall über das scheinbar endlose Echo bis zum unaufhörlichen Protestgeschrei der Vögel, die innerhalb eines Quadratkilometers von den Ästen gefegt wurden.
    Und endlich war es so weit. Die Bombe, das Echo, die Vögel … alles da. Fast genauso wie in seiner Vorstellung.
    Doch Torenzi blieb nicht stehen, um zurückzublicken. Er hatte kein Interesse daran, das alles aufzunehmen. Er spürte kein Bedürfnis danach.
    Er spürte überhaupt nichts.
    Keine Freude, keine Befriedigung und mit Sicherheit keine Reue – nicht einmal den leisesten Hauch von Schuld wegen des unschuldigen Mädchens.
    Sie hatte ihren Onkel angelockt, wie es dem Plan entsprach. Aus seiner Sicht hatte sie ihren Zweck erfüllt. Mehr zählte für ihn nicht.
    Allerdings hatte er noch keine Ahnung, wer der Rambo war, der die Party im Zug gestört hatte. Im Nachhinein betrachtet musste der Kerl gewusst haben, dass Daniels eine kugelsichere Weste trug. Diesen Schuss hatte er gezielt auf
Daniels abgegeben. Und so schlecht konnten seine Schießkünste nicht gewesen sein, wie die beiden Treffer in Torenzis Arm bewiesen hatten.
    Apropos kein Gefühl …
    Torenzi hatte den schwarzen Ledergürtel aus seiner Hose gerissen und als Aderpresse verwendet, um den Blutkreislauf gleich unterhalb seiner Schulter abzuschneiden. Im Moment war sein Arm taub wie eine Nuss. Später würde er sich darum kümmern. Er würde die Kugeln mit dem Stilett herausholen, das an seinem Schienbein befestigt war, und die Wunde mit Nadel und Faden aus dem Kaufhaus zunähen. Mehr als zwei weitere Punkte auf seinem mit Narben übersäten Körper würden nicht zurückbleiben. Keine große Sache. Reine Routine.
    Wie Hyman Roth in Der Pate – Teil II zu Michael Corleone sagte: »Das ist eins der Mittel, die zu unserem Geschäft gehören.«
    Jetzt war Torenzis Geschäft erledigt. Wieder einmal hatte er das Spiel gewonnen.
    Endlich hatte er das Ende des schmalen Waldstücks erreicht. Dort wartete der Wagen auf ihn. Wie immer lief alles wie am Schnürchen.
    »Ist er tot?«, hörte er, als er sich dem weißen Volvo S40 näherte.
    Torenzi beugte sich in das offene Fenster der Beifahrerseite und grinste.
    »Was glaubst du denn? Hast du nicht die Explosion gehört?«
    Als Ian LaGrange breit lächelte, sah sein großer Mund fast wie der einer Komikfigur aus. »Habe ich«, bestätigte er. »Steig ein.«
    Der Volvo stand in einer verlassenen Sackgasse, in der das
einzige Lebenszeichen zwei halbfertige Spekulationsobjekte waren, die auf immer und ewig so stehen bleiben würden, weil der Bauherr nach dem Zusammenbruch des Immobilienmarktes pleitegegangen war.
    Torenzi riss die Wagentür auf und stieg ein. »Fahren wir«, sagte er.
    LaGrange deutete auf Torenzis Arm, den Gürtel und das blutdurchtränkte Hemd unter seiner Jacke. »Was ist denn mit dir passiert?«, fragte er.
    »Ach, nichts. Da war noch jemand im Zug.«
    »Wer?«
    »Spielt das eine Rolle?«
    »Ich bin der Leiter der Abteilung Organisiertes Verbrechen«, antwortete LaGrange. »Wer war das deiner Meinung nach?«
    »Höchstwahrscheinlich jemand vom FBI.«
    »Hast du ihn umgebracht?«
    »Nein, aber mit Sicherheit hat das die Bombe erledigt«, sagte Torenzi. »Was ist mit D’zorio?«
    »Er hat es nicht geschafft.«
    »Glückliche Wendung für dich.«
    LaGrange kicherte. »Manchmal hat man eben mehr Glück als Verstand.«
    »Besser, man hat beides«, kommentierte Torenzi, der jedes Wort so meinte, wie er es sagte. »Hast du mein restliches Geld?«
    »Natürlich. Im Kofferraum.« LaGrange deutete mit dem Kopf nach hinten. »Kriegst einen Bonus für all deine Schwierigkeiten. Hast gute Arbeit geleistet.«
    Torenzi bedankte sich nicht. Stattdessen wunderte er sich, warum LaGrange noch nicht losfuhr.
    »Worauf warten wir?«, fragte er.

    »Wir müssen uns noch um eine Sache kümmern.«
    »Die wäre?«
    »Um dich«, sagte ein Mann vor dem offenen
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