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Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Titel: Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers
Autoren: Thomas Schmidt
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Fall neue Besen verdammt schlecht kehrten. Wenn Ulli abends die Klinke der Wohnungstür in die Hand nahm, um sich ins Wohnzimmer zu begeben, war eben ein weibliches Wesen für ihn da und wenn es sich nur auf dem Kanapee räkelte. Der Einkaufsstress war eben derart hoch und Frau Zangenbergs Knochen bedurften erst einmal dringender Ruhe. Und die halbverkohlte Tütensuppe war einfach im Topf geblieben, weil es ihrer Meinung nach an häuslichen Werkzeugen fehlte, sie daraus zu entfernen. Rosi vergaß im Trubel der umfangreichen Hausarbeiten auch, die Gebrauchsanweisung auf der Verpackung zu lesen. Ulli Mackenrodt konnte sich seines bösen Blickes nicht erwehren, sagte aber nichts. Frau Zangenberg nahm es mit der Wahrheit immer sehr genau. Dafür, dass es heute Abend nichts zu essen gab, hatte sie eine rein menschliche Begründung parat. Das bewies sie, indem sie den bereits entsorgten Edelstahltopf einfach aus der Versenkung kramte. Dann fing Ulli doch an zu schimpfen. Daraufhin begann Rosi ein Heulkonzert und bat um Erhöhung des Haushaltsetats. Ulli parierte und steckte seiner neuen Flamme einen Hunderter zu und bearbeitete den Topf mit einem stählernen Topfkratzer. Für den Hunderter kaufte sich Rosi am nächsten Tag ein Fläschel Parfüm von Bogner und ein schickes Damenfeuerzeug aus Walzgolddoublé. Mit dem Geruchsstoff von Bogner überschüttete sie sich, um ihrem neuen Gönner zu beweisen, dass man das Wirtschaftsgeld auch auf moderne Art und Weise anlegen könne und zwar so, dass auch die Umwelt davon profitierte. Vor allem war eine andere Atmosphäre in die vier Mackenrodtwände gekommen. Wieder war der Abend heran. Geplant war eine Brühwürfelsuppe. Um Energie zu sparen, warf Rosi zwei Brühwürfel von Maggi in kaltes Leitungswasser. Damit es auch wirklich Geschmack bekam, verdoppelte sie vorsichtshalber die Menge und vergaß, den Kocher in Gang zu setzten. Als Ulli Mackenrodt gerade an diesem Abend spät heimkam, stand da kaltes Wasser, auf dessen Oberfläche Brühwürfel von Maggi schwammen. Rosi räkelte sich auf dem Sofa herum und rauchte. Außerdem hatte sie einen Schwips, weil sie einen Taschenrutscher von »Jägermeister« geleert hatte. Das war für Ulli zu viel. Er stellte seiner Partnerin anheim, sich eine neue Bleibe zu suchen. Frau Spangenberg war überhaupt der Meinung, dass der Hausherr zusätzlich eine Haushälterin einstellen müsse, um seinen Fraß zu sichern. Ulli zeigte ganz energisch zur Korridortür als Aufforderung für Frau Spangenberg, das Revier zu räumen. Jetzt schrie Rosi aus Leibeskräften und stampfte mit den Füßen wie ein unartiges Kind. Tränen rannen ihr übers Gesicht und vermischten sich mit schwarzer Wimperntusche und Schminke. Dann hörte sie plötzlich auf zu heulen und kicherte laut, als hätte sie den Verstand verloren. Dabei zeigte sie auf Ullis Bauch und fand, dass der Besitzer dessen eine dämliche Figur abgeben würde, na und sonst … Schon hatte Rosi die erste Ohrfeige im Gesicht. Jetzt fing Ulli beinahe an zu flennen, weil ihm sein Jähzorn einer Frau gegenüber unentschuldbar vorkam. So ging es tagein und tagaus. Wenn Mackenrodt die Spangenberg aus dem Haus schmiss, war sie hintenrum wieder drin. Wie ich von Hasan Abdullah erfuhr, ist es Ulli Mackenrodt nie gelungen, die Spangenberg zu bezwingen oder sie gar los zu werden – sie hatte ihm total den Kopf verdreht. Das Verhältnis zu dieser Person zu brechen, gelang ihm nicht, weil Mitleid siegte. Manchmal hatte ich doch ein wenig Hoffnung, dass sich Ulli wieder in Leipzig etablieren würde, aber es geschah nicht. Ich war in seiner Firma zwar mein eigener Herr, doch meist war ich mehr auf mich allein gestellt, als mir lieb war. Mackenrodt als mein Brötchengeber organisierte die Monatsabläufe für mich doch irgendwie – unter seiner Fuchtel bewegte ich mich halbwegs in gesicherter Existenz, das muss ich zugeben! Natürlich balbierte er mich oft über den Löffel. Aus taktischen Gründen gab ich meist klein bei, weil es im Antiquitätengeschäft immer und irgendwie einen finanziellen Ausgleich gab. Wichtig war natürlich die Krankenversicherung, die Mackenrodt für mich bei einer gesetzlichen Kasse trug, wenn es auch nur die Finanzierung allgemeinen Standards war. Ich habe Ulli jedenfalls nie wieder gesehen.

    »Mer wissen scho, wo ßä herkemma! Se sin aus ‘m Osten, göll?«

    Mehr denn je ließ ich mir den Wind um die Nase pfeifen und flohmarktete in Berlin mindestens zwei Mal pro Monat und trieb mich
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