Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Titel: Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers
Autoren: Thomas Schmidt
Vom Netzwerk:
dazwischen. Schon war meine kleine, mobile Galerie ein guter Blickfang. Peu á peu machten sich Interessenten breit, aber nur weil ich in preislicher Hinsicht für jedes einzelne Stück Konzession machte. Ich hatte dabei natürlich Nervenstärke zu beweisen. Trotz meines Verbotsplakates -BITTE NICHTS BERÜHREN!-, grapschten die Kunden jedes Stück an und drehten es um die eigen Achse. Dabei hatte ich große Ängste davor, dass dem einen oder anderen Kunden ein Teil aus den Fingern gleiten könnte. Alteingesessene Händler etablierten sich eben professionell mit Ladeneinrichtungen, wie z.B. Vitrinen und ähnlichem Inventar auf den Flohmärkten und beugten somit auch der Gefahr des Diebstahls vor. Bis gegen 23.00 Uhr abends waren die meisten Artikel verkauft. Danach begann eine dreieinhalbstündige Ruhepause. Während dieser Zeit schlichen gähnende Gestalten zwischen den Flohmarkttischen herum. Auch ich schlief, auf meinem Stuhl sitzend, immer wieder ein. Während dieser Kurzschlafphasen vermutete ich ständig, dass mir jemand in die Tasche grapschen wollte. Einmal bin ich aufgeschreckt worden und beinahe vom Stuhl gefallen. Um wach zu bleiben, füllte ich mir einen Pott starken Kaffees ein. Gegen 2.30 Uhr morgens aßen wir Abendbrot – so jedenfalls nannte es Hasans Frau, die wieder ihre Fritteuse kontrollierte und dann Pommes in das siedende Fett schüttete. Dazu gab es die geschmorten Hackfleischbällchen als Rest vom Mittag, einschließlich der Tomatensoße. Alles war noch reichlich vorhanden. Plötzlich war in nächster Umgebung ein Rumsen und Rattern zu vernehmen, als hätten wir Silvester. Dieses Geräusch wurde von lauter und lauter werdendem Gegröle begleitet. Neben mir stand ein Händler aus Wittenberg, der beunruhigt dreinschaute. »Es hat vor vier Wochen eine Straßenschlacht mit der Polente gegeben!«, informierte er mich. »Aber wir sind doch unpolitisch!«, habe ich geantwortet. »Zum Schluss wurde alles niedergewalzt, was noch nicht lag – unabhängig von der Gesinnung!«, entgegnete der Wittenberger. Von weitem hörte man jetzt ein Martinshorn. Das Flimmern des Blaulichtes war am Abendhimmel deutlich zu erkennen. Das Schreien und Grölen kam näher und näher, ebenso das Gerumse und Geratter. Hasan und seine Leute horchten auf. Sie begannen plötzlich mit dem Abräumen der Waren von den Tischen und forderten auch mich auf, das Gleiche zu tun, denn es sei doch schade, wenn alles demoliert würde. Auch der Wittenberger ramschte all sein Utensil zusammen und stopfte es in eine Reisetasche. »Die Luft brennt wieder mal!«, rief Hasan. Eine Minute später platzierte sich von außen eine vermummte Gestalt mit einer Kette bewaffnet in der etwa dreißig Meter von uns entfernten Schlupftür des Stahltores. »Der ist noch so gut wie ungefährlich, wartet auf Verstärkung!«, rief mir Hasan zu und zeigte auf den Herrn mit Vermummung und Kette. Ich war der Meinung, dass Hasan ihn kannte. Von insgesamt einhundertfünfzig Flohmarktständen waren dreißig von Hasans Leuten besetzt und der Einunddreißigste gehörte mir. Ich begann also meine bessere Ware akkurat in Zeitung zu verpacken. Für den Rest war alles zu spät. Inzwischen drängten sich fünf Vermummte durch die Schlupftür und versuchten jetzt, das Haupttor zu entriegeln. Somit verbesserten sie natürlich ihre Angriffsstrategie bei weitem. Die Hälfte dieser Leute war mit Baseballschlägern bewaffnet. In meiner Naivität glaubte ich, sie hätten sich verirrt. Dann war es heraus: Unsere Markstände waren von Hasans Feinden, bzw. einer Gang von etwa zwanzig Leuten umgeben. Sie standen einer personell doppelten, aber unbewaffneten Übermacht gegenüber. Fünf Meter von mir entfernt glotzte mich einer dieser Leute an. In der rechten Hand hielt er eine Kette, die nach meinem dafürhalten zu kurz war, um mich oder meinen Tapeziertisch zu erreichen. Ich sah die Augen desjenigen deutlich hinter den stoffenen Gucklöchern leuchten. Ich erhob die rechte Hand zum Gruß – ich grüßte also, weil ich der Meinung war, es gehörte sich eben. Natürlich wurde meine Geste nicht erwidert. Ich verstand die Welt nicht mehr, war ich doch ein unbescholtener und armseliger Flohmarkter, der von gestern zu heute ein wenig mehr als das Salz in die Suppe verdient hatte. Außerdem rechnete ich die Nachtstunden nicht mit, in denen ich mir die Beine in den Hintern stand und nicht die Stunden Fahrt über glitschnasse Bundesstraßen und Autobahnen ins schöne Kreuzberg. Der Typ mit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher