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Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Titel: Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers
Autoren: Thomas Schmidt
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der Kette rückte auf. Ich war der Meinung, es geschah in Kettenlänge zu mir und meinem Tisch. Ich versuchte schnell den letzten Rest Porzellan und Glas vom Tisch zu räumen, als der Kettenakrobat sein Werkzeug mit äußerster Kraft in meine Richtung schwang. Dabei verfehlte er meine Tischkante nur knapp. Er startete seine Attacke von neuem. Durch seine anfängliche Kraftanstrengung hatte sich der Randalierer wohl verausgabt. Er war ein Hänfling und fühlte sich wohl nur in der Masse stark. Er schleuderte die Kette nun mit verminderter Kraft erneut zu mir rüber. Ich sah das Kettenende auf mich zu fliegen und bekam es zu fassen. Da sich mein Widersacher an der Kette festhielt, gelang es mir, ihn in meine Richtung zu ziehen. Wenn es mir gelänge, ihn bis in Armlänge an mich heran zu bekommen, würde ich ihm ins Gesicht schlagen. Es gelang mir allerdings nicht, denn der Typ lies die Kette los und wich mehrere Schritte zurück. Dabei sah er sich hilfesuchend nach seinen Mitstreitern um, die natürlich sofort präsent waren. Nun stand ich fünf Leuten gegenüber, in den Händen das andere Ende der Kette. Für Außenstehende erweckte ich den Eindruck, als sei ich ein Mitglied dieser Gang. Hasan kam mir mit einigen seiner Leute zu Hilfe. Sie waren mit Besen und Stöcken bewaffnet und stellten mit dieser Ausrüstung natürlich keine Streitmacht dar, allerdings waren sie mit mir in personeller Hinsicht überlegen. Schon krachte mein Tapeziertisch in sich zusammen, weil sich einer der Randalierer auf ihn warf. Meine restlichen Habseligkeiten, bestehend aus verschiedenen Markenporzellanen und altem Glas, lagen zerschmettert auf dem Hallenfußboden. Das Motiv des zerstörerischen Überfalls war mir völlig unklar. Zunächst war es eine Schlacht gegen das Flohmarktinventar. Dann entwickelte sich daraus ein Krieg, den Hasans Landsleute gegen ihn selbst vom Zaun brachen und ich war mitten drin! Welche Zwistigkeiten da ausgestritten werden sollten, habe ich nie erfahren. Inzwischen eskalierte die Gewalt. Die Vermummten schlugen mit Baseballschlägern auf die Stände der türkischen Flohmarkter ein und erwischten aus Versehen auch Tische völlig unbeteiligter Händler aus Sachsen und Thüringen. Jetzt verteidigten alle Händler ihre Warenstände – die Türken hatten mit den Sachsen und Thüringern einen Komplott geschmiedet. Im Ergebnis dessen standen fünfundzwanzig Randalierer etwa fünfzig Flohmarkthändlern gegenüber. Dabei ging fast das gesamte Marktinventar zu Bruch. Die Flohmarkter schlugen mit allem, was sie in die Hand bekamen auf die Randalierer ein. Inzwischen hatte ich meinen Kettenakrobaten an die Kandare bekommen und schleuderte ihn mit aller Kraft gegen die Hallenwand. Danach ging er zu Boden, aber kurz darauf war er schon wieder auf den Beinen. Ich riss ihm die Vermummung vom Gesicht – schwarzgelocktes Haar rollte zur Erde – er war eine Sie. »Gaffst’n so?!«, berlinerte die junge Türkin und mühte sich redlich, mir eine rein zu hauen. Dabei hatte sie beinahe das Gleichgewicht verloren. Als ich ihr unter die Arme greifen wollte, wehrte sie ab. Ich versuchte, hinter den Grund dieser Gewaltoffensive zu kommen. Die Türkin steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen. Ich glaubte erst, sie wollte mir Rede und Antwort stehen. Was durch ihre Zähne zischte klang türkisch, dann aber sprach sie deutsch und gab mir zu verstehen, dass ganz Kreuzberg Rochus auf Abdullah hätte. Dann meinte sie, ich sei als Unbeteiligter einfach nur vom Pech verfolgt worden und ich sollte doch verduften, bevor es zu spät sei. Inzwischen war das Stahltor der Fabrikhalle entriegelt, doch die Händler kreisten die Randalierer ein, drängten sie vom Ausgang weg und schlugen sie windelweich. Von außen ins Halleninnere bewegte sich plötzlich ein Jeep, der mit vier Leuten besetzt war. Drei von ihnen sprangen vom Fahrzeug und warfen Brandflaschen gegen die innere Hallenwand, an der noch über fünfzig Stände gruppiert waren. Diese Wurfgeschosse waren so genannte Molotow-Cocktails, wohl nicht wie üblich präpariert mit Phosphor und Benzin, sondern mit einer langsam brennenden Flüssigkeit, die nach Terpentin stank und mittels Zünder in Brand gesetzt wurde. Sie rann von den Wänden, dann brannte sie plötzlich und ergoss sich unter die Marktstände. Alles was brennbar war, brannte. Die Händler ließen jetzt von den Angreifern ab und versuchten die Feuer zu löschen. Das misslang, denn die brennende Flüssigkeit hatte sich auf dem
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