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Rabenzauber

Rabenzauber

Titel: Rabenzauber
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hörte Seraph Hennea sagen.
    »Lynwythe«, sagte Tier.
     
    »Lynwythe«, sagte er und hoffte, dass etwas passieren würde.
    Es war kein bisschen so, wie er erwartet hatte. Sobald die Worte über seine Lippen gekommen waren, verschwanden Rinnies und Henneas Hände ebenso wie Willon. Auch das vertraute Gewicht seiner Laute war weg. Tier war allein.

    Er stand in einem lang gezogenen, großen Raum, dessen Wände, Decke und Fußboden alle taubengrau und seltsam eigenschaftslos waren, als handele es sich eher um ein Zimmer, das sich jemand vage vorgestellt hatte, als um ein echtes.
    Sein Instinkt drängte ihn, zu seiner Familie zurückzukehren - aber Hennea und Hinnum hatten beide geglaubt, diesen Namen auszusprechen sei die einzige Möglichkeit, den Schatten zu besiegen. Also riss er sich zusammen, sah sich um und ging geradeaus.
    Seine festen Stiefel hinterließen Spuren auf dem eigenschaftslosen Boden; keine richtigen Fußabdrücke, nur eine leichte Spur an der Oberfläche, wo er seine festen Absätze in den Boden drückte. Einen Moment schämte er sich, es war ihm peinlich, dass er, ein Bauer, es überhaupt wagte, diese heiligen Hallen zu betreten, gar nicht zu reden davon, dass er Spuren auf dem Fußboden hinterließ.
    Er blieb stehen und holte tief Luft. »Ich gehöre nicht hierher«, sagte er freundlicher, als ihm zumute war. »Das weiß ich ebenso gut wie du. Aber ich bezweifle, dass ein paar Spuren am Boden dich sonderlich stören werden. Ich bin ein Barde, Herr. Ich weiß, wie man Menschen beeinflusst - und ich merke es, wenn man mich beeinflussen will. Ich wäre dir dankbar, wenn du damit aufhören würdest.«
    Niemand antwortete, aber das Gefühl, dass er sich verlegen winden und wegen seiner gewaltigen Fehler nur noch auf allen vieren bewegen sollte, verschwand. Er wusste, dass seine Familie sich in großer Gefahr befand, also ging er schnell weiter. Obwohl dem Raum nichts weiter anzusehen war, spürte er, dass er die richtige Richtung eingeschlagen hatte.
    »Warum hast du meinen Namen ausgesprochen, Barde?« Die Stimme war tief und voll.
    Tier blieb stehen und drehte sich zu dem Gott um, der lautlos neben ihm erschienen war und ihn in dieser satten Bassstimme
gefragt hatte. Ein Teil von Tier hätte diese Stimme nur zu gern singen gehört, und sei es nur ein einziges Mal.
    Davon einmal abgesehen hatte der Gott nichts Beeindruckendes an sich. Er schien ein wenig kleiner zu sein als der Durchschnitt und von schlanker Statur. Sein Haar und seine Augen waren ebenso dunkel wie die von Tier.
    »Warum zögerst du, Barde?«, fragte er mit einem Lächeln, das Tier einen Schauder über den Rücken laufen ließ. Das hier war nicht der Weber. »Hattest du vor, mir mit Lügen zu schmeicheln?«
    »Nein«, antwortete Tier wahrheitsgemäß. »Mir ist nur gerade aufgefallen, dass ich nicht sicher bin, worin die wirkliche Wahrheit besteht. Die schlichte Antwort lautet, dass wir nur diesen einen Namen hatten.«
    »Also hast du meinen Namen ausgesprochen, weil du den meines Bruders nicht kanntest? Gibt es noch eine andere Antwort?«
    Tier verließ sich auf seine Instinkte. »Ich denke, der Schleier, den der Weber geschaffen hat, schränkt seine Fähigkeit ein, in unserer Welt zu arbeiten. Ich denke, er hat bereits alles beeinflusst, was er beeinflussen konnte. Wenn wir beide Namen gehabt hätten, hätten wir uns an den Weber gewandt.« Er holte tief Luft. »Und das wäre ein Fehler gewesen. Der Weber kann nichts mehr tun, um uns zu helfen.«
    Der Pirschgänger hob die Hände. »Und du glaubst, ich werde es tun? Jetzt, nachdem mein Diener, mein Sklave, die Fesseln gelockert hat, die mich binden? Er wird nicht mehr viele Weisungen nehmen müssen, bis ich tun kann, was immer mir gefällt.«
    »Er ist nicht dein Diener und nicht dein Sklave«, widersprach Tier. »Er ist ein Dieb, der sich in dein Gefängnis geschlichen und deine Macht gestohlen hat.«
    »Nur weil du meinen Namen ausgesprochen hast, Barde,
muss ich folgen, wie ein Hund dem Ruf seines Herrn folgt.« Die Worte waren bitter und zornig, aber diese Gefühle spiegelten sich nicht auf den Zügen oder in der Stimme des Gottes.
    »Während wir uns hier unterhalten, steht meine Familie allein dem Schatten gegenüber«, sagte Tier und holte tief Luft. Das kannst du doch besser, dachte er. »Ich kann mich nur für meine Unhöflichkeit entschuldigen. Dich gegen uns aufzubringen ist das Letzte, was ich erreichen möchte. Wir brauchen deine Hilfe gegen den
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