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Rabenmond - Der magische Bund

Titel: Rabenmond - Der magische Bund
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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Dickicht für die Sphinxe verwandelt.
    Als die Schergen der Drachen merkten, dass zwischen Rebellen und Ruinenleuten kaum ein Unterschied bestand, begannen sie, wahllos in Häuser einzubrechen. Wer Steine aufhob, wurde getötet. Wer nachts die Tür öffnete, wurde getötet. Die Willkür der Sphinxe verwandelte mehr Ruinenleute in Krieger als alle Reden und Parolen der Aufständischen. Leute baten um Waffen, nur um sich zu schützen.
    Die Zusammenstöße zwischen Sphinxen und Menschen fielen immer blutiger aus. Längst flohen die Rebellen nicht mehr, wenn die Löwen kamen - dafür waren sie zu viele geworden. Baltibb erlebte, wie zwanzig Menschen einen Sphinx erstachen, der dabei drei Männer verletzte und ein Kind zerriss. Zuletzt lag der Sphinx in Menschengestalt im Schnee, der Umhang zerfetzt, das graue Gesicht verzerrt wie eine Maske. Die Menge jubelte und trug die Leiche durch die Ruinen, hängte sie auf einem offenen Platz auf und legte Feuer darum. Die ganze Nacht brannten die Fackeln und die Siegeslieder hallten durch die Ruinen wider wie ein Chor des Hasses. Bald steckten an jeder Straßenecke aufgespießte Löwenköpfe. Über Dächern flatterten blutige gelbe Umhänge. Rebellentrupps trugen Pfähle mit sich, an die tote Raben gebunden waren.
    Baltibb und ihre Mitstreiter töteten zu siebt eine Daraude - sie mussten sie neunmal erschießen, ehe sie in ihrer Menschengestalt fiel. Jeder von ihnen hängte sich eine schwarze Feder um den Hals.
    Dann stand die Wintersonnenwende bevor. In der letzten Nacht versammelten sie sich in einem unterirdischen Versteck, um den morgigen Tag zu besprechen. Es war so eng und voll, dass man kaum stehen konnte. Die Luft schmeckte nach Schweiß, nach Angst und Mordlust. Baltibb stand in der heißen Flut aus Leibern und stellte sich vor, wie sie morgen durch die Tore der Stadt brechen würde, alle Straßen überschwemmte, in den Palast eindrang. Sie fühlte sich so mächtig wie noch nie, denn sie war ein Teil der monströsen Masse, und die Masse war die Verkörperung ihres Zorns, ihres Willens.
    »Die Bürger haben bestätigt«, rief Nethustra über den wogenden Lärm hinweg, »dass sie sich uns anschließen! Sobald wir die Tore der Stadt angreifen, werden sie uns zu Hilfe kommen. Dann ziehen wir gemeinsam in den Palast!«
    Baltibb drängte sich durch die jubelnde Menge nach vorne und trat auf das Podest neben Nethustra.
    »Ich bin es, Baltibb«, murmelte sie ihm zu und wandte sich dann an die Masse. Die Gesichter, die zu ihr aufblickten, wirkten im Flackern des Feuers wie Totenköpfe. Viele werden sterben, dachte sie und schauderte. Aber wenn ihr Tod für den Sieg nötig war, dann sollte es so sein. »Ich weiß, wo die Gehege der Tiere im Palast sind«, rief sie laut. »Wenn wir die Tiere befreien, können die Drachen sich nicht verwandeln. Ich brauche eine Truppe, die mir morgen hilft, die Käfigtüren zu öffnen.«
    Sofort meldeten sich Freiwillige. Auch Kasamé und Sethur traten vor.
    »Jetzt bist du ihr Hauptmann«, sagte Nethustra und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Sag ihnen deinen Namen.«
    Mit feurigem Blick sah sie sich ihre Krieger an. »Baltibb.« Da erst erkannten die Krieger, dass in dem schweren Waffenrock ein Mädchen steckte. Einen Unterschied machte es nicht. Sie alle hatten Frauen, Greise, Kinder gegen Sphinxe kämpfen sehen. Und war selbst ihr Führer nicht ein Blinder? Der Mut machte sie zu Helden. Sie waren das Volk.
    In dem Moment stürzte ein Junge herein. Schweiß hatte ihm Streifen über das schmutzige Gesicht gezogen. »Drachen! Die Drachen kommen!«
    Alle zogen ihre Waffen, doch der Junge deutete aufgeregt nach draußen. »Sie kommen von der Grenze!«
    Verwirrt folgten ihm die Rebellen. In den Gassen herrschte Aufruhr. Menschen rannten aus ihren Häusern oder verbarrikadierten sich darin.
    »Die Legionen!«, schrie jemand. »Jetzt bringen sie uns alle um!«
    Baltibb folgte der Menge an den Rand der Ruinen. Bei den letzten Hütten blieben sie stehen und sahen es selbst: Dort, wo der Horizont Land und Himmel trennte, funkelte eine endlose Lichterkette. Ein Beben durchlief Baltibbs Knie. Der Boden wackelte, als Kriegshörner erschollen. Über den bleichen Vollmond glitten die Schatten von Darauden. Baltibb umschloss den Griff ihres Schwertes so fest, dass das Leder knirschte. Das gesamte Heer der Drachen war aus Kossum gekommen.
     
    Kaum eine Stunde blieb den Ruinenleuten, ehe das Heer kam. Es war aussichtslos. Panische Menschenmassen verstopften
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