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Rabenflüstern (German Edition)

Rabenflüstern (German Edition)

Titel: Rabenflüstern (German Edition)
Autoren: Philipp Schmidt
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auf die Anbetung von Göttern, dennoch begrüßte er die freie Wahl der Bräuche und Kulte, die Bran seinem Volk zubilligte. Über etliche Generationen hinweg war eine Mischform aus zahlreichen Vielgott-Religionen entstanden. Germanische Gottheiten wurden gleichberechtigt neben keltischen, schamanistischen und anderen verehrt. Auf Brans Standarte, die über der Stadt im Wind flatterte, war zwar der Hammer Donars abgebildet, doch der Grund dafür lag schlicht darin, dass die meisten seiner Krieger sich eben diesem Gott verschrieben hatten. 
    Die Feindschaft mit dem benachbarten Reich war wohl nicht zuletzt auf den religiösen Konflikt zurückzuführen. Theodosus, der Herr von Rhodum, hatte eine Verschmelzung der, wie man sagte, ehemals die Welt beherrschenden, Eingott-Glaubensvorstellungen zur Staatsreligion bestimmt. Sein Gott hatte keinen Namen. Er wurde als Allvater, König der Könige oder einfach nur als Der Eine angerufen. In alter Tradition des Eingott-Glaubens verdammte Theodosus’ Priesterschaft alle, die andere Gebete sprachen. 
    Kraeh ließ seinen Schimmel steigen; erst jetzt bemerkte er die beiden anderen Banner links und rechts neben Donars Hammer: die Lilie von Mont und etwas erhöht den roten Bullen des Königs. Maet, der Fürst vom nördlich gelegenen Mont, war regelmäßig Gast in Brisak; nichts Besonderes für Kraeh, auch wenn er den verschlagenen Politiker verachtete – eine Antipathie, die auf Gegenseitigkeit beruhte. Die Anwesenheit des alten Königs allerdings konnte nur eines bedeuten: Krieg. 
    Die Armee des Königs war so schwach und ausrangiert wie dieser selbst. Kraeh vermutete, Bran sei es an einer symbolischen Zustimmung gelegen, um eine groß angelegte Offensive gegen Rhodum zu rechtfertigen. 
    Im Galopp preschten die beiden Freunde auf die Feste zu. Eine Fanfare kündigte ihr Kommen an. Die schweren Flügel des Südtors öffneten sich gerade so weit, dass die Pferde ihr Tempo nicht verlangsamen mussten. Erst nachdem sie den dritten Verteidigungsring durchquert hatten, zügelten sie die Tiere. Zwischen dem dritten und fünften war die eigentliche Stadt angelegt. Frauen und Kinder öffneten Läden und liefen auf die Gassen, die Neuankömmlinge zu begrüßen. Trotz ihrer verwaschenen und abgetragenen Kleider und den Schlammkrusten an den Flanken ihrer Tiere, nickten sie dem einen oder anderen bekannten Gesicht in der vollen Selbstsicherheit und Arroganz ihres Ranges heiter zu. Die Einwohner Brisaks liebten Kraeh, eine Tatsache, die er vor allem der Unbeliebtheit des Generals der Armee und zugleich strengen Stadthalters Berbast zu verdanken hatte. Doch es ziemte sich nicht, öffentlich Anteilnahme an den Sorgen des einfachen Volkes zu zeigen, daher bekundete er sein Wohlwollen nur nachts in den Schenken, wenn ausgeschlossen war, dass einer der hohen Herren zugegen war. 
    Vor dem Tor des sechsten Ringes banden sie ihre Pferde an und gingen die letzten Schritte zu dem Haupthaus der Festung, an das sich der Bergfried anschloss, zu Fuß. 
    Sedain ließ zweimal einen stählernen, an der Pforte angebrachten Hammer gegen das Eichenholz schlagen, woraufhin ein Augenpaar sie durch einen Sichtschlitz musterte, bevor ächzend ein Riegel weggeschoben wurde. 
    Sie betraten eine Halle, in deren Mitte sich eine lange Tafel erstreckte. An ihrem Kopf saß der greise König flankiert von seinen Fürsten Maet und Bran, der in dem Moment, da er die beiden erblickte, aufstand und ein Lächeln aufsetzte. Am Tisch saßen außerdem General Berbast in sein typisches Schwarzbärenfell gehüllt und eine Person, deren Gesicht, wie auch der ganze restliche Körper, von einem schwarzen Kapuzenmantel verdeckt wurde. Da er neben Maet, dem Regenten von Mont, Platz genommen hatte, hielt Kraeh ihn für einen seiner Berater. Abseits standen zwölf Männer in voller Rüstung, jeweils drei aus der Leibgarde der Fürsten und sechs aus der des Königs, die sich aufgrund ihrer gezwirbelten Bärte und scharlachroten Umhänge von den anderen Kriegern abhoben. 
    Kraeh und Sedain verbeugten sich zuerst vor dem König und schritten dann auf Bran zu. Er war von allen Adligen am schlichtesten gekleidet. Über einer blauen Tunika diente ihm ein Fuchsfell als Schal, nur ein goldener Siegelring zeugte von seiner Stellung. 
    »Mit Freude kehren wir an deinen Hof zurück«, sprach Kraeh für sie beide. 
    Bran machte eine wegwerfende Handbewegung. »Warum so förmlich?« 
    Sie umarmten sich, wobei Sedain der missbilligende Blick
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