Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rabenflüstern (German Edition)

Rabenflüstern (German Edition)

Titel: Rabenflüstern (German Edition)
Autoren: Philipp Schmidt
Vom Netzwerk:
Bote Brisak vor uns erreicht?« 
    Sie versuchten zwar, Kapital aus dem Krieg zu schlagen, aber es wäre nicht nur gegen ihre Ehre gewesen – deren Auslegung sie nach eigenem Ermessen der jeweiligen Situation anpassten –, den Feind mit tauglichen Waffen zu versorgen; es hätte vor allem als Dummheit gelten müssen, sich in einem späteren Kampf den eigenen Waffen gegenüberzusehen. Daher hatten sie Schwerter, Piken und anderes Kriegsgerät aus minderwertigem Stahl an die Grenze gebracht. Die wenigen tauglichen Waffen waren obenauf gelegen, doch der Schwindel war aufgeflogen und so hatte das Geschäft in einem Gemetzel geendet, das keinen der kleinen Gesandtschaft des Gegners am Leben gelassen hatte. 
    Nach einer Weile der Stille, nur unterbrochen von den Geräuschen der Tiere und ihren eigenen Schritten auf morastigem Grund, setzte Kraeh noch einmal an. 
    »Weshalb hast du sofort mit dem Töten angefangen? Wir hätten versuchen sollen zu verhandeln.« 
    »Verhandeln?!«, Sedain, der Größere von beiden, spuckte aus. »Dieser Wurm hat mich einen Betrüger genannt. Du bist einfach zu weich, Kraeh.« 
    Kraeh blieb kurz stehen, fuhr in alter Gewohnheit mit der freien Hand über den Knauf seines Schwertes, das über seine rechte Schulter ragte, und schmunzelte. Die Klinge auf seinem Rücken hatte einen Tag zuvor vier Männern die Seele aus dem Leib gerissen, etliche Lieder füllten überall im Land die Hallen mit seine Heldentaten, aber Sedain ließ keine Gelegenheit aus, sich über die moralischen Bedenken seines Freundes, die er als Schwäche auslegte, lustig zu machen. 
    Sedain dachte laut nach. »Mal ehrlich, unser lieber Fürst Bran weiß ganz genau, was er an dir hat. Wenn es nicht anders geht, erzählen wir ihm einfach, dass die Waffen sowieso Schrott waren.« 
    Kraeh zog an den Zügeln, um sein Tier aus einem Sumpfloch zu ziehen. Mit einem Ruck kamen die Vorderläufe frei und der junge Krieger fiel rückwärts in den Morast. Sein Freund lachte laut auf. 
    »Manchmal denke ich, zwischen deinen langen Ohren befindet sich nichts als Dreck! Willst du Bran vielleicht erklären, warum wir ihm erst einmal diese bescheuerte Lügengeschichte von Heimaturlaub und so aufgetischt haben?« 
    Umständlich rieb er den Schmutz von seinem Fellumhang. »Manchmal glaube ich, ihr Halbelfenstricher seid genauso dämlich wie Orks.« 
    Sedain lehnte an seinem Schimmel. »Du bist nur ärgerlich, weil du im Matsch gelandet bist.« 
    »Und stinken tut ihr auch wie sie«, grollte Kraeh. 
    Das Sterben des Tages kündigte sich in den Auen stets mit einem Knistern an. Abergläubische Männer behaupteten, es läge an den Kobolden und anderen Wesen aus dem Feenreich, die sich in ihren Hügeln und Astlöchern anschickten, die Welt der Menschen zu betreten. Sedain und Kraeh neigten dazu, nur an das zu glauben, was sie sehen und anfassen konnten, doch es gab unleugbare Fakten, die die Existenz von Zwischenwelten nahelegten. Wie die Irrlichter, die jetzt in einem für sterbliche Wesen fast unhörbaren Ton summend ihren Weg erleuchteten. 
    Was ihre eigene Sterblichkeit betraf, waren sie sich beide in Ermangelung eines Beweises nicht sicher. Die Andersartigkeit Kraehs spiegelte sich nicht nur in seinen weißen Haaren, sondern auch in der schnellen Genesung von Wunden wider. Außerdem war niemandem bekannt, wer ihn als Säugling damals vor so vielen Jahren in einen Binsenkorb gelegt hatte. Wenige Tagesreisen von ihrem derzeitigen Standort entfernt war er von einer Fischerfamilie aufgenommen und großgezogen worden. Dort hatte er eine harte und einsame Kindheit erlebt. Als die anderen Kinder in der Siedlung gemerkt hatten, dass es besser war, ihn nicht mit seinen Haaren und seiner Fremdheit ausstrahlenden Art aufzuziehen, waren sie dazu übergegangen, ihn zu ignorieren. Die etwa zwei Sommer ältere Tochter seines Ziehvaters war lange Zeit die einzige Spielgefährtin für den Heranwachsenden gewesen. Schnell hatte Kraeh gelernt, dem guten, aber einfältigen Mann, der sich seiner angenommen hatte, unter die Arme zu greifen. Er holte die schweren Netze ein und nahm Fische aus, aber dem Mann wurde bald klar, dass dem Jungen eine andere Bestimmung als die eines Fischers in die Wiege gelegt worden war. Nach dem Tagewerk übte er sich im Kampf. Mit einem Stock bewaffnet, besiegte er Legionen aus Gestrüpp bestehender Feinde und bewies darin wesentlich mehr Geschick und Leidenschaft als in den handwerklichen Tätigkeiten. Als der erste Saum von
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher