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Rabenfeuer - Die Flammen der Goettin

Rabenfeuer - Die Flammen der Goettin

Titel: Rabenfeuer - Die Flammen der Goettin
Autoren: Dana Graham
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entbundene Frau gehört ins Kindbett, nicht auf einen Kutschbock.«
    »Nenn mich nicht Herrin«, erwiderte Mana bitter. »Die bin ich nicht mehr.«
    »Ihr wart immer eine hilfsbereite und großzügige Dame«, widersprach die Hebamme. »Die meisten Menschen werden sich daran erinnern, egal was der Fürst ihnen über Euch erzählt haben mag.« Sie schnalzte mit der Zunge und das Pferd verfiel in einen leichten Trab.
    Mana antwortete nicht, sondern betrachtete den Säugling, der ausdauernd und mit kräftigen Zügen trank. Sie hatte sein Leben gerettet, aber zu welchen Bedingungen?
    Als die Siedlung der Bergarbeiter in Sichtweite kam, war das Kind wieder eingeschlafen. Langsam passierte ihr Wagen die ersten Häuser des Dorfes. Die Gebäude waren aus Stein errichtet, groß und eindrucksvoll verziert. Doch Mana ließ sich nicht täuschen. Das waren die Wohnstätten der Grubenmeister. Männer, die jahrzehntelange Erfahrung im Bergbau besaßen, ohne deren Wissen und Fähigkeiten die Minen bald zum Erliegen kommen würden. Wegon behandelte die Grubenmeister mit äußerster Umsicht und bezahlte sie großzügig, um sie zu halten.
    Ihr eigener Weg führte weiter. Vorbei an den Prachtbauten, zwischen den Hütten der einfachen Bergleute hindurch bis zum Ende der Siedlung. Dort, am Waldesrand, standen die armseligen Katen der Wasserknechte. Ungelernte Arbeiter, die mit Eimern das Grubenwasser aus den Schachtsümpfen entfernten sowie Hilfsarbeiten bei der Förderung des Silbers verrichteten.
    Vor einer verlassenen, von Eichen umringten Hütte hielt die Hebamme das Fuhrwerk an. Mana gab der Frau das Kind in den Arm, kletterte vorsichtig vom Bock herunter und schritt ungläubig auf die schäbige Behausung zu. Sie hatte wenig erwartet, aber der Anblick dieser Unterkunft löste ein Zittern bei ihr aus. Die Endgültigkeit und das Ausmaß ihrer Entscheidung wurden ihr mit einem Mal grauenhaft bewusst. Sie biss sich auf die Lippe und verbot sich, die Richtigkeit ihrer Entscheidung anzuzweifeln, während sie auf ihr neues Heim zuging.
    Vor der Hütte, deren Tür nur angelehnt war, blieb Mana stehen. Sie atmete tief durch, dann streckte sie die Hand aus und zog die Tür der Kate auf. Der Raum dahinter war düster, die wenigen Möbelstücke darin alt und staubbedeckt. Zögernd setzte sie einen Fuß über die Schwelle und hielt jäh inne. In dem spärlich hereinfallenden Tageslicht erkannte sie ein schwarzes Geschöpf am Boden des Zimmers – ein Rabe, der dort mit gespreizten Flügeln lag.
    Mana schrie auf.
    »Herrin, Herrin!« Die Hebamme kam mit dem Säugling im Arm auf sie zugelaufen.
    Keuchend lehnte sich Mana an den Türrahmen und starrte auf den Vogel. »Ich bin verflucht«, flüsterte sie entsetzt. »Das heilige Tier der Göttin, tot in meinem Haus! Wegon hatte recht: Das Neugeborene wird sterben und ich ebenfalls, weil ich seinen und den Willen der Göttin missachtet habe.«
    Die Hebamme erbleichte. »Mögen uns alle guten Geister beistehen«, murmelte sie. »Das ist ein schlechtes Zeichen.«
    »Oder ein gutes Omen«, erklang eine Stimme hinter ihnen.
    Erschrocken fuhren die beiden Frauen herum. Vor der Kate stand ein Mann: groß, mit braunen Augen und in einen grünen Umhang gehüllt. Weiße Strähnen durchzogen seine dunklen Haare, doch sein Gesicht war merkwürdig alterslos. In der Hand hielt er einen Wanderstab aus Birkenholz, auf seinem Rücken trug er einen schweren, ledernen Beutel.
    »Amartus.« Mana neigte den Kopf vor dem Ankömmling. Den Hüter des Waldes empfing selbst Wegon als Fürst immer in Ehrfurcht.
    »Ich komme von der Burg, Mana. Ich war dort, um den neugeborenen Prinzen und zukünftigen Herrscher der Sarwen zu begrüßen und ihm meine Segenswünsche auszusprechen.«
    »Dann bist du hier falsch, Amartus«, entgegnete sie und verschränkte die Arme vor der Brust. »Das Kind ist kein Prinz, ich habe Wegon mit einem anderen Mann betrogen.«
    Seine dunklen Augen fixierten sie scharf. »Du brauchst mir keine Lügen zu erzählen, Mana. Ich kenne die Wahrheit.«
    »Die Wahrheit ist belanglos!«, rief sie aufgebracht. »Das Kind hat ein Gebrechen, Wegon will es nicht. Und wie es aussieht«, sie wies mit dem Kopf in die Richtung des Raben, »hätte ich seinem Wunsch, es zu töten, besser nachgegeben.«
    »Wegon ist ein Narr«, erwiderte Amartus zornig und ging an ihr und der Hebamme vorbei in die Kate hinein. Er trat zu dem Vogel und hob ihn auf. Behutsam tastete er den Rumpf des Tieres ab, begutachtete dessen blaugraue
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