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Quitt

Quitt

Titel: Quitt
Autoren: Theodor Fontane
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Hauptsache. Denn von einem bequemen Absuchen, wie früher, an den niedriggelegenen Sümpfen und Teichen hin, war schon lange keine Rede mehr, vielmehr ging es, bei jeder sich bietenden Gelegenheit, hoch ins Gebirge hinein, und Weihen und Bussarde wegschießen oder auch wohl einen Bartgeier beschleichen, das war jetzt das Jagdvergnügen, nach dem Toby dürstete.
    Der Alte mißbilligte das alles und würde dagegen eingeschritten sein, wenn er nicht Tobys Charakter gekannt hätte, der alles mit Feuereifer angriff, aber nur, um es, nach kurzer Zeit schon, wieder fallenzulassen. Hierin fand er seine Beruhigung und ließ es gehen und war zufrieden, wenn Lehnert, was freilich bei den sich mehrenden Feldarbeiten immer seltener geschah, den wenigstens zunächst noch in seiner Jagdpassion beharrenden Toby auf seinen Ausflügen begleitete.
     
    So war Ende Mai gekommen, und Toby verlangte danach, einen Steinadler zu schießen, der (er wußte genau die Stelle, wo) hoch im Gebirge nistete. Dann aber wollt er zu dem Neste hinaufklettern und die zwei Jungen ausnehmen und großziehen, um sie den Zoological Gardens in Galveston zum Geschenk zu machen. Bei seiner letzten Anwesenheit daselbst war er nämlich eitel und unvorsichtig genug gewesen, dem Vorstande des Gartens ein solches Versprechen zu machen, und hielt nun die Durchführung für Ehrensache, worin er sich sogar von seiten Ruths bestärkt sah.
    Und nun war es zwei Tage vor Sonntag Exaudi, den letzten Tag im Monat, daß sich Toby zu diesem Fange rüstete. Lehnert, der aufs Feld mußte, konnte nicht mit, weshalb – wie schon bei früheren Gelegenheiten – ein junger Arapahoindianer für ihn eintrat, ein Schwestersohn von Gunpowder-Face, der, erst bei Krähbiel und dann in der Missionsschule zu Halstead erzogen, seit seiner Rückkehr von dort ein besonderer Liebling von seiten Ruths und Tobys war. Er hieß Shortarm, weil er, infolge eines Armbruchs, einen etwas zu kurzen Arm hatte.
    Beide, Toby und Shortarm, waren sehr früh, schon bald nach Mitternacht, aufgebrochen und hofften mit Sonnenaufgang oben und spätestens um Mittag in Nogat-Ehre zurück zu sein. Aber die vierte Stunde war schon heran, ohne daß sich Toby gemeldet hätte. L'Hermite, von Ruth und Maruschka, die sich zu ängstigen begannen, ins Vertrauen gezogen, ging in Lehnerts Zimmer hinüber, um von dort aus nach dem Gebirge hin Ausschau zu halten, aber, so klar der Tag war, auf der ganzen zwischengelegenen Strecke war zunächst für ihn niemand sichtbar, bis er nach einer Weile Lehnerts gewahr wurde, der auf dem vom Vorwerk nach Nogat-Ehre führenden Feldwege langsam herangeritten kam und zufällig nach dem Fenster seiner Wohnung hinaufsah. Die Sonne, die stark blendete, ließ den ruhig Herantrottenden anfänglich bei seinem Aufblick nicht viel erkennen, als er aber eine Weile danach den mit seinem Käppi winkenden L'Hermite deutlich bemerkte, wurd er stutzig und setzte sich, während er seinem Pferde die Sporen gab, in einen rascheren Trab. Und nun war er heran und erfuhr von dem in der Flurhalle seiner bereits harrenden Freunde, daß man Tobys halber in Sorge sei. Sie sprachen noch, als auch Obadja hinzutrat und seiner Unruhe, der er bis dahin nicht hatte nachgeben wollen, einen allerlebhaftesten Ausdruck gab. Die Wanduhr schlug halb. Halb fünf. Auch Ruth und Maruschka waren die Treppe herabgekommen, und die gute Alte weinte heftig. Das käme davon, wenn man einer Kreatur die Brut wegnehmen wolle oder es doch litte. Dann würden einem selber die Jungen genommen. Und sie seien alle schuld, alle, sie selber, weil sie den Toby nicht besser erzogen, und am meisten Obadja, der der Herr sei und der Vater und der Priester. Und er werde wohl Hals und Beine gebrochen haben, der arme Toby, und sie sähe schon, wie man ihn hereinbringe. Gott sei Dank, daß seine Mutter nicht mehr lebe, für die wäre das der Tod gewesen. Und dann umarmte sie Ruth und setzte sich auf die unterste Treppenstufe, wo sie viele Paternoster vor sich hin sprach und die Perlen ihres Rosenkranzes unaufhörlich durch die Finger gleiten ließ. Sonst schwieg alles, und doch war es eine Szene voll immer wachsender Aufregung. Lehnert fuhr, überlegend, mit der Hand über die Stirn, L'Hermite pfiff, und Obadja richtete sein Auge nach oben. Zwischen ihnen hin und her aber lief Uncas und winselte, und wenn er vor Lehnert stand, setzte er sich und sah ihn an und schien zu fragen: »Wo ist Toby?« Das kluge Tier wußte:
der
allein kann helfen; ihr anderen
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