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Quintessenzen

Quintessenzen

Titel: Quintessenzen
Autoren: Sven Böttcher
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ahnst es – die Schöpfung. Die eigene, also die Kunst. Ob du malst, musizierst, schreibst oder schnitzt, ist dabei völlig unerheblich. Du hast bereits in jungen Jahren festgestellt, welche Kraft in dieser Schöpfung liegt, und ich hoffe, das geht dir nie verloren.
    Solltest du dich entschließen, deine Kunst in die Öffentlichkeit zu tragen, sei dir über deine Motive im Klaren. Solange du die Energie, die dir dabei zufließt, bloß billigend in Kauf nimmst, wird es dich nicht beschädigen. Sobald du deine Kunst nur ausstellst, um geliebt oder bewundert zu werden, bist du auf dem Holzweg.
    Aber solange du auch das weißt, sind sogar Holzwege befahrbar.
    Bewegung!
    Augenscheinlich erfordert es Anstrengung oder Energie, einen Gegenstand in Bewegung zu versetzen. Tatsächlich aber erfordert es Energie, einen Gegenstand zum Stillstand zu bringen. Was also taugt der Augenschein?
    Nimm dir ein Flugzeug und flieg damit von Frankfurt nach New York und wieder zurück. Die Strecke ist gleich lang, aber seltsamerweise dauert die Rückreise nach Osten eine Stunde weniger lang als die Hinreise, was besonders seltsam ist, weil sich die Welt nach Osten dreht, also auf der Rückreise mit einem Affenzahn unter dir weg. Auf der Hinreise fliegt dir New York entgegen, ergo müsste doch die Hinreise wesentlich kürzer sein. Augenscheinlich?
    Das Problem ist, dass eine ganze Portion Bewegungen auf das Flugzeug wirken, in dem du sitzt. Da sich der Boden unter deinen Füßen bzw. den Rädern bewegt, fliegst du ja schon beim Start mit mehr als 1000 km/h ostwärts. Beschleunigst du dein Flugzeug zusätzlich in die gleiche Richtung, legst du die Strecke zwischen zwei Punkten mit der zusätzlichen Geschwindigkeit zurück. Fliegst du aber gegen die vorhandene Bewegung an, erzeugst du mit Müh und Not Stillstand. Dein Flugzeug verharrt also bestenfalls acht Stunden auf der Stelle, während sich die Welt unter dir auf dich zubewegt, und die Energie, die dein Flugzeug verbrät, geht nicht für Bewegung drauf, sondern vollständig für Stillstand.
    Nun müssen wir wohl gelegentlich aufwendig in der Luft stillstehen, sofern wir nach New York wollen, aber im täglichen Leben fahren wir besser, wenn wir nicht mit aller Macht gegen die Bewegung um uns herum arbeiteten, sondern mit ihr. Daher gilt: Setze dir deine → Ziele so, dass die vorhandene Bewegung dich trägt.
    Und diese Bewegung ist überall. Wenn auch nicht augenscheinlich. Im Großen wie im Kleinen ist alles permanent mobil, der Boden unter deinen Füßen wie die paar Billionen Zellen in deinem Körper, die Atome und Quarks, die das alles bilden. Bist du im Einklang mit diesen Kräften, entsteht etwas, das Esoteriker den Flow nennen, das aber sogar sachlichere Naturen kennen – die sich dann vielleicht immerhin zu der Formulierung hinreißen lassen: »Die → Zeit verging wie im Flug«. Im Rückflug.
    Sein ist Bewegung. Alles bewegt sich so lange, bis eine Kraft auftritt, die es an der Bewegung hindert. Naturwissenschaftler wissen das ebenso gut wie Esoteriker, aber unser alltägliches Wahrnehmen ist von anderen Gestalten geprägt, nicht zuletzt von unseren Philosophen, die seit der Antike stur an der Realität vorbeigrübeln. (Heraklit war der einsame Outlaw, der die Wahrheit auszusprechen wagte, aber seine größten Hits Alles fließt und Niemand steigt zweimal in denselben Fluss waren nie in den Top Ten).
    Nun sollst du nicht gleich jedes Mal in schallendes Lachen ausbrechen, wenn jemand sagt »Lassen Sie mich Folgendes festhalten«. Erst recht sollst du nicht jene bedauern, deren Lebensglück an der Illusion hängt, alles sei zu fassen oder gar zu berechnen. Denen weise weder den Weg nach Osten noch den zu den Quantenphysikern, lass ihnen ihr überzeugtes Rhabarbern.
    Aber lass dich von ihrem Geschwätz nicht irre machen. Stillstand kostet viel Kraft, Bewegung hingegen führt Kraft mit sich. Und was dich zum Stillstand bringen will, das räume aus dem Weg, indem du dir die zur Verfügung stehenden Kräfte dienstbar machst. Du wirst auf diese Weise zwar manchen verärgern mit deinen noch im hohen Alter jugendlichen Zügen und dem dazu passenden beweglichen Geist, aber diese besondere Rücksichtslosigkeit erlaube dir ohne Skrupel.
    Wechselstoff
    Wie entsteht ein Baum? Aus einem winzigen Samenkorn, Licht, Wasser, Luft, Erde und irgendeinem seltsamen, unsichtbaren Kitt, der aus diesen paar unschuldigen Elementen Leben entstehen lässt. Das wissen wir, aber die Konsequenzen für unser
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