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Quellen innerer Kraft

Quellen innerer Kraft

Titel: Quellen innerer Kraft
Autoren: Anselm Gruen
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hat andere Formen entwickelt, wie er sich zurückziehen kann. Der eine geht spazieren, der andere macht einen so genannten Wüstentag – einen Tag der spirituellen Vertiefung und Konzentration, ohne die Anforderungen des Alltags. Ein anderer zieht sich in sein Zimmer zurück und zieht den Telefonstecker heraus, damit er nicht erreichbar ist. Jeder von uns braucht die Möglichkeit des Rückzugs, damit er Rückhalt findet, einen festen Halt, auf dem er stehen kann. Der Rückzug ist immer verbunden mit der Rücksicht auf mich selbst. Ich schone mich selbst, gehe rücksichtsvoll mit mir um, damit die innere Quelle wieder fließen kann.

    Die frühen Mönche haben solche Zeiten des Rückzugs und der Stille verglichen mit dem ruhig werdenden Wasser. In einer Mönchsgeschichte heißt es, dass drei Studierende Mönche wurden. Jeder nahm sich ein gutes Werk vor. „Der erste erwählte dies: er wollte Streitende zum Frieden zurückführen,nach dem Wort der Schrift: Selig sind die Friedfertigen. Der zweite wollte Kranke besuchen. Der dritte ging in die Wüste, um dort in Ruhe zu leben. Der erste, der sich um die Streitenden mühte, konnte doch nicht alle heilen. Und von Verzagtheit übermannt, ging er zum zweiten, der den Kranken diente, und fand auch den in gedrückter Stimmung. Denn auch er konnte sein Vorhaben nicht ganz ausführen. Sie kamen daher beide überein, den dritten aufzusuchen, der in die Wüste gegangen war, und sie erzählten ihm ihre Nöte und baten ihn, er möge ihnen aufrichtig sagen, was er gewonnen habe. Er schwieg eine Weile, dann goss er Wasser in ein Gefäß und sagte ihnen, sie sollten hineinschauen. Das Wasser war aber noch ganz unruhig. Nach einiger Zeit ließ er sie wieder hineinschauen und sprach: Betrachtet nun, wie ruhig das Wasser jetzt geworden ist. Und sie schauten hinein und erblickten ihr Angesicht wie in einem Spiegel. Darauf sagte er weiter: So geht es dem, der unter den Menschen weilt: Wegen der Unruhe und Verwirrung kann er seine Sünden nicht sehen. Wer sich aber ruhig hält und besonders in der Einsamkeit, der wird bald seine Fehler einsehen.“
    Viele machen heute ähnliche Erfahrungen wie die drei jungen Mönche. Sie möchten sich für andere einsetzen und andern helfen. Aber sie spüren, dass ihr Werk nicht so gelingt, wie sie es sich vorgenommen haben. Der Wille allein ist nicht genug, um die eigenen Ideale zu verwirklichen. Es braucht die Erfahrung der inneren Ruhe, in der wir uns selber so sehen können, wie wir wirklich sind. Wenn in der Stille das Wasser unserer Seele ruhig wird, dann können wir daraus schöpfen. Dann können wir das Werk, das wir uns vorgenommen haben, auch vollbringen. Solange wir innerlich aufgewühlt sind, können wir die Energie nicht wahrnehmen, die in uns strömt. Es braucht die Ruhe, um die Kraft zu entdecken, die in uns liegt.

    Viele vom Lärm und der alltäglichen Anspannung geplagte Menschen suchen heute nach Auszeiten und Oasen der Ruhe. In unserer Abtei spüren wir, wie groß die Sehnsucht nach Rückzug ist. In unser Gästehaus kommen viele Menschen, die ein paar stille Tage verbringen möchten. Sie sehnen sich danach, vom Lärm ihres Alltags weg zu kommen und einzutauchen in das Gebet der Mönche und in die stille Atmosphäre eines Klosters. In der Stille kommen sie in Berührung mit sich selbst. Das ist nicht immer angenehm. Daher suchen sie auch nach einer geistlichen Begleitung, um mit dem inneren Chaos, das in ihnen aufbricht, besser umgehen zu können. Nach einigen Tagen der Stille fühlen sie sich wieder gestärkt für den Alltag. Sie haben aus ihrer inneren Quelle getrunken.

Die Erfahrung der Natur
     
    Für viele ist die Natur eine wichtige Quelle, aus der sie schöpfen. Wenn sie durch einen Wald wandern, fühlen sie sich nachher erfrischt. Oder sie setzen sich ins Grüne und schauen einfach in die Landschaft, hören den Vögeln zu, spüren den Wind und lassen sich von der Sonne bescheinen. In der Natur dürfen wir einfach sein, wie wir sind. Da müssen wir nichts leisten und werden nicht beurteilt. Da sind wir geborgen. Wir sind Teil der Schöpfung. Wir fühlen uns eins mit ihr, haben teil an der Kraft, die in ihr ist, und an dem Geist, der sie durchdringt. In der Natur kann ich spüren, dass das Leben, das ich überall wahrnehme, auch in mich einfließt. Ich werde lebendig und fühle neue Kraft in mir.

    Viele Menschen erzählen mir, dass Tiere für sie eine wichtige Quelle sind, aus der sie Kraft schöpfen. Eine Frau ist dankbar für
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