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Quellen innerer Kraft

Quellen innerer Kraft

Titel: Quellen innerer Kraft
Autoren: Anselm Gruen
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immer zu wenig, was wir tun. Schuldgefühle sind unersättlich, und ihre Dynamik zehrt an uns: Sie treiben uns immer mehr an, über unsere Kräfte hinaus eine Leistung zu erbringen, um diese unangenehmen Gefühle loszuwerden. Wer von dieser Grundangst geprägt ist, der braucht nur etwas zu tun, was seinem eigenen Idealbild widerspricht, und schon wird er von heftigen Schuldgefühlen zerrissen, die ihm alle Energie rauben.

    Eine Frau konnte sich nicht verzeihen, dass sie ihre schwerkranke, demente Mutter ins Pflegeheim gebracht hatte. Auch durch den Tod der Mutter lösten sich ihre Schuldgefühle nicht auf. Vielmehr wacht sie immer noch täglich mit dem Schuldgefühl auf und schläft abends mit Selbstvorwürfen ein. Es ist ihrkeine Hilfe, wenn man rational argumentiert und ihr sagt: Objektiv war keine andere Lösung möglich. Die Pflege hätte ihre Kräfte tatsächlich überstiegen. Solche „vernünftigen“ Überlegungen lösen aber Schuldgefühle dieser Art nicht auf. Schuldgefühle trüben unsere Quelle oder lassen sie völlig versiegen. Und es ist für einen davon infizierten Menschen ganz sicher nicht einfach, durch diese Schuldgefühle hindurch auf den Grund seiner Seele zu gelangen, auf dem die klare Quelle sprudelt, die nicht von Selbstvorwürfen infiziert, sondern rein ist und neue Kräfte schenkt. Er muss sich erst von der Illusion verabschieden, als ob er sein Leben lang mit einer weißen Weste herumlaufen könne. Solange er meint, er könne leben, ohne schuldig zu werden, bekommt er keinen Zugang zu seiner inneren Quelle.

    Eine Frau, die eine verantwortliche Stellung innehatte, fühlte sich erschöpft. Sie beantragte eine Kur, um sich zu erholen. Doch diese Kur brachte nicht viel. Sie machte eine zweite Kur und war immer noch müde. In Gesprächen wurde klar, dass eine rein körperliche Erholung nicht weiter helfen konnte. Die Ursache ihrer Erschöpfung war ihr Lebensmuster. Sie war auf einem Bauernhof aufgewachsen. Ihr Vater war Knecht bei seinem eigenen Bruder, bei ihrem Onkel also. Der Onkel war selber kinderlos und daher eifersüchtig auf seinen Bruder. Die inzwischen erwachsene Frau – die älteste von vier Kindern – stand schon als Kind immer unter Druck. Damals war es der Druck, die Erwartungen des Onkels möglichst gut zu erfüllen und dafür zu sorgen, dass es keinen Streit gab zwischen ihrem Vater und ihrem Onkel. Zwei grundsätzliche Befürchtungen trieben sie als Kind schon um – und überforderten sie schon damals: „Hoffentlich gibt es keinen Streit. Hoffentlich schaffe ich das, was von mirerwartet wird.“ Man kann sich vorstellen, dass diese beiden Sätze grundsätzlich und zwar für jeden, der Verantwortung hat, eine Überforderung sind. Wer nach diesem Prinzip lebt, für den sind sie wie eine trübe Quelle, aus der er schöpft. Jede Führungskraft erfährt, dass sie sich mit Konflikten auseinander setzen muss. Wenn mir jeder Konflikt den Boden unter den Füßen wegzieht, raubt er mir viel Energie. Dann bin ich bei jedem Konflikt erschöpft. Ich habe keine Kraft, mich Auseinandersetzungen zu stellen. Es gibt Menschen, die sich von Konflikten positiv herausgefordert fühlen. Sie haben Lust, sie zu lösen. Es macht ihnen Spaß. Doch wer von so einem Lebensmuster geprägt ist, bei dem lösen Spannungen und Gegensätze Angst aus. Sie erinnern ihn an die bedrohliche Situation in der Kindheit. Ein Kind möchte Geborgenheit und Sicherheit erfahren. Konflikte zerbrechen das Gefühl von Geborgenheit und machen Angst. Wer aus der trüben Quelle der Konfliktangst schöpft, wird immer wieder an Erschöpfung leiden. Da hilft es nicht, einen guten Urlaub oder eine vierwöchige Kur zu machen. Da muss ich an meinen Lebensmustern arbeiten. Und ich muss mich schließlich auch von ihnen verabschieden.

    Das zweite Lebensmuster, das die Frau erschöpfte, war der Druck, alle Erwartungen erfüllen zu müssen. Keiner kann es allen recht machen. Aber wenn ich mich unter Druck setze, alle Erwartungen meiner Umgebung zu erfüllen, dann werde ich mich immer heillos überfordert fühlen. Manchmal sind es reale Erwartungen der Umgebung, oft aber auch nur eingebildete Erwartungen. Ich bilde mir ein, es allen recht machen zu müssen. Doch ich weiß ja gar nicht, was die wirklich von mir wollen. Wenn ich auf die Erwartungen der anderen fixiert bin, gerate ich in die Grübelfalle: Wie kann ich sie alleerfüllen? Ich drehe mich im Kreis. Und bald wird mir schwindlig. Meine Kraft geht mir immer mehr aus. Letztlich
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