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Quarantäne

Quarantäne

Titel: Quarantäne
Autoren: Greg Egan
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Barriere kreuzt, dann scheinen sie in immer kleineren Schritten immer langsamer zu werden, ohne je zum Stillstand zu kommen, wobei die Signale zunehmend schwächer werden und schließlich nicht mehr meßbar sind. Die meisten Physiker glauben, daß, von Bord einer Sonde aus gesehen, sie ungehindert und ungebremst die Barriere passiert – und sind sich dabei sicher, daß dieses tatsächlich aber in einer Myriaden von Jahren entfernten Zukunft geschieht. Ob es hinter der uns bekannten Barriere noch weitere gibt, können wir naturgemäß nicht wissen. Kein Mensch kann sagen, was einen Astronauten auf einer Reise ohne Wiederkehr durch die Barriere hindurch erwarten würde. Vielleicht fände er das Universum in seiner Pracht ganz unverändert vor, vielleicht käme er gerade rechtzeitig auf der anderen Seite an, um seinen Untergang mitzuerleben.
    Die Medien, die man monatelang mit Theorien abgespeist hatten, die noch phantastischer als jede Wirklichkeit waren, griffen das einzig vertraute Schlagwort aus dieser Diskussion auf: Das Sonnensystem, verkündeten sie prompt, sei in ein großes Schwarzes Loch >gefallen<, was erneut eine weltweite Panik auslöste, bevor man es noch richtigstellen konnte. Wenn um uns herum sich ein Ereignishorizont wölbte – folgerte man messerscharf –, dann mußten wir uns innerhalb eines Schwarzen Lochs befinden. So falsch es auch war, so vernünftig hörte es sich an. Die Wahrheit ist, daß der Ereignishorizont nicht uns umgibt, sondern im Gegenteil alles andere außer uns.
    Obwohl eine Handvoll Theoretiker nachzuweisen versuchte, daß Phänomene dieser Art ganz natürlich seien und sich spontan überall in diesem Universum ereignen könnten, gab es eigentlich nur eine plausible Erklärung: Eine außerirdische Spezies, die über gigantische Möglichkeiten verfügte, hatte eine Mauer um uns errichtet, die uns vom Rest des Universums isolieren sollte.
    Die Frage war nur: warum?
    Sollte es ihre Absicht gewesen sein, uns von der Eroberung der Galaxie abzuhalten, dann hätten sie sich die Mühe sparen können. Im Jahr 2034 war noch kein Mensch weiter als bis zum Mars gereist. Die amerikanische Mondstation war sechs Jahre zuvor schon aufgegeben worden, nach nur achtzehn Monaten des Betriebs. Die einzigen Raumfahrzeuge, die je das Sonnensystem verlassen hatten, waren Sonden zu den äußeren Planeten, gestartet im späten zwanzigsten Jahrhundert, die nun im Schneckentempo auf zufälligen Bahnen durch den Sonnenfernen Raum krochen. Die für 2050 geplante unbemannte Mission zu Alpha Centauri war gerade eben auf das Jahr 2069 verschoben worden; man hoffte, daß zum hundertsten Jahrestag der ersten Mondlandung von Apollo XI die nötigen Gelder bereitwilliger flossen.
    Natürlich mochten Außerirdische, die schon lange Zeit Raumfahrt betrieben, das unter einem anderen zeitlichen Aspekt betrachten. Die vielleicht tausend Jahre, die die Menschheit noch von den ersten Schritten in den interstellaren Raum trennten, mochten für sie die letzte, eben noch zu verantwortende Frist sein, bevor alles zu spät war. Trotz alledem – daß eine Zivilisation, die Raum und Zeit nach Belieben manipulierte, uns fürchten sollte, war doch grotesk; uns, die wir nicht einmal annähernd verstanden, was sie mit uns gemacht hatten.
    Möglicherweise meinten sie es sogar gut mit uns. Möglicherweise bewahrten sie uns vor einem Schicksal, das weit schlimmer war, als in dieser Ecke des Weltraums eingeschlossen zu sein. Hier konnten wir, wenn wir uns ein wenig Mühe gaben, doch für die nächsten hundert Millionen Jahre blühen und gedeihen. Konnte es nicht sein, daß der galaktische Kern am Explodieren war und nur die Barriere Schutz vor der Strahlung bot? Konnte es nicht sein, daß andere, bösartige Aliens in dieser Gegend Amok liefen und nur auf diese Weise von uns abgehalten werden konnten? Es gab auch weniger dramatische Varianten dieser Idee. Vielleicht wollte man unsere zurückgebliebene, zerbrechliche Zivilisation vor den harten Realitäten der interstellaren freien Marktwirtschaft bewahren. Oder hatte man gar das ganze Sonnensystem zum galaktischen Naturschutzgebiet erklärt?
    Dann gab es noch jene wenigen unerschrockenen Denker, die zur Diskussion stellten, ob nicht jede von Menschen erdachte Erklärung notwendigerweise anthropozentrisch und damit ausgemachter Quatsch sein müsse. Aber niemand lud solche Spielverderber zu einer Talkshow ein.
    Am wenigsten um eine Antwort verlegen war man dort, wo das Beantworten letzter
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