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Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz

Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz

Titel: Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz
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fort waren, verließ sie hastig ihr
Versteck und versuchte, Rafaels Zellentür zu öffnen. Doch sie war
verschlossen, und ein Schüssel war nirgendwo zu sehen.
    Der Prinz war nichts als ein
regloser Schatten in einer Ecke.
    »Rafael«, wisperte Annie
verzweifelt, »wo ist der Schlüssel?«
    Er bewegte sich nicht und antwortet
auch nicht.
    »Rafael!«
    Der Prinz stöhnte, und Annie hätte
ihn so gern berührt und getröstet, daß sie einen Arm durch die Gitterstäbe
steckte und versuchte, ihn zu erreichen. In ihrer schrecklichen Angst brauchte
sie mehrere Sekunden, um zu begreifen, daß die Mühe vergeblich war.
    Hastig suchte sie den Tisch der
Wächter nach dem Schlüssel ab, aber er war nicht aufzufinden. Als sie die
Stimmen sich nähernder Männer hörte, war sie gezwungen, wieder in den
unbenutzten Gang zurückzuhuschen und sich in den Schatten zu verbergen.
    Zwei andere Wärter waren erschienen,
um die anderen zu ersetzen. Sie machten es sich an dem rohen Holztisch bequem,
ohne Rafael auch nur eines Blicks zu würdigen, und spielten Karten.
    Annie wartete unendlich lange, aber
sie bekam keine zweite Chance mehr, sich Rafael zu nähern. Zum Schluß war sie
gezwungen, wieder zum Tunnel zurückzukehren und zum Schuppen zurückzukriechen,
wo Mr. Barrett wartete. Vielleicht, dachte sie bedrückt, gelingt es uns ja mit
vereinten Kräften, meinen Vater zu finden, und dann wird er uns helfen
    Annie hatte jedoch den Schuppen noch
nicht erreicht, als sie diese Idee schon wieder verwarf. Falls Patrick
Trevarren erfuhr, daß seine Tochter innerhalb der Burganlage war, würde er
sämtliche Pläne aufgeben, die er geschmiedet haben mochte, um Rafael zu retten,
und Annie sofort aufs Schiff zurückbringen. In der Zwischenzeit würden die
Rebellen Rafael zum Galgen zerren, eine Schlinge um seinen Hals legen und ihn
aufhängen.
    »Ist es Ihnen gelungen,
hineinzukommen?« fragte Mr. Barrett, kaum daß Annie den Kopf aus dem Loch
gesteckt hatte.
    Sie drängte Tränen der
Hoffnungslosigkeit und Furcht zurück. »Ja«, sagte sie. »Sie hatten recht —
Rafael ist im Verlies.« Mr. Barrett hob sie aus der Tunnelöffnung und hörte
schweigend zu, als sie fortfuhr. »Er ist entweder krank oder verletzt — ich
habe seinen Namen gerufen, und er hat sich nicht einmal bewegt.«
    »Ich gehe hinein«, sagte Barrett
entschieden und ging auf das Loch im Boden zu.
    Annie hielt ihn zurück. »Sie würden
nie durchkommen«, sagte sie. »Ich habe es selbst kaum geschafft.«
    Barrett war einen Moment ganz still.
»Dann werde ich einen anderen Weg finden, sobald es dunkel wird. Bleiben Sie
hier, wo niemand Sie sehen wird, und ich bringe Ihnen etwas zu essen und
Wasser, sobald ich kann.«
    Annie erhob keinen Widerspruch, denn
es blieb ihr tatsächlich nichts anderes übrig, als zu warten. Sie setzte sich
auf den bloßen Boden, weil sie ohnehin nicht schmutziger werden konnte, als sie
bereits war, faltete die Arme um die Knie und legte ihren Kopf darauf.
    Barrett räusperte sich. »Ich glaube
nicht, daß es unter den gegebenen Umständen viel zu bedeuten hat, aber ich muß
es sagen, Annie. Sie sind die mutigste, eigensinnigste Frau, der ich je
begegnet bin.«
    Sie lächelte, obwohl sie den Tränen
nahe war. »Die Welt gehört den Mutigen«, antwortete sie mit erstickter Stimme.
    Mr. Barrett ging hinaus, ohne etwas
zu erwidern, und schloß leise die Schuppentür hinter sich.
    Erschöpft von den Anstrengungen
ihrer Tunnelexpedition, sank Annie in einen unruhigen Schlaf, und als sie
erwachte, war Mr. Barrett schon zurück. Eine Kerze brannte auf einer
umgestürzten Holzkiste, und daneben standen zwei Blechteller und ein Becher.
    Annie fragte nicht, woher er das
Dörrfleisch und das Brot hatte, das er aus einem Leinensack zog. Er trank Wein
aus einer verstaubten Flasche, während sie Wasser aus dem einzigen Becher
trank.
    »Ich habe Ihren Vater gesehen«,
sagte er nach langem Schweigen.
    »Wo?« fragte Annie scharf. »War er
wohlauf?«
    »Eine Frage nach der anderen«, rügte
Barrett mit einem müden Lächeln in der Stimme. »Er sah wie ein echter Barbar
aus, obwohl wir natürlich nicht miteinander gesprochen haben. Er tut so, als ob
er einer der ärmeren Dorfbewohner wäre.«
    Annie mußte trotz allem lachen.
»Sind Sie sicher, daß es Patrick Trevarren war, den Sie da gesehen haben? Er
ist ein notorischer Dandy. Seine Hemden werden speziell für ihn in Paris
angefertigt, und er trägt nur die feinsten italienischen Stiefel.«
    Auch Barrett lachte. »Dann
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