Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
QED: Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie (German Edition)

QED: Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie (German Edition)

Titel: QED: Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie (German Edition)
Autoren: Richard P. Feynman
Vom Netzwerk:
Situation, bei der solche Unmengen Photonen ausgetauscht werden, daß sich eine Berechnung als unmöglich erweist. Wir müssen experimentell herausfinden, welche Möglichkeiten mehr ins Gewicht fallen. Deshalb erfinden wir auch Begriffe wie »Brechungsindex« oder »Kompressibilität« oder »Wertigkeit«, um Vorgänge, hinter denen sich unzählige Einzelvorgänge verbergen, wenigstens näherungsweise berechnen zu können. Es ist wie beim Schach: Die Regeln sind einfach und leicht zu erlernen – gut zu spielen dagegen erfordert weit mehr; setzt es doch voraus, daß man die Bedeutung der einzelnen Positionen und die Art der verschiedenen Situationen begreift, was schon wesentlich schwieriger ist.
    Die Zweige der Physik, die sich mit Fragen beschäftigen, wie, warum Eisen (mit 26 Protonen) magnetisch ist, Kupfer (mit 29) dagegen nicht, oder warum das eine Gas durchsichtig und das andere undurchsichtig ist, werden als »Festkörperphysik« oder »Physik des flüssigen Zustands« oder »wahre Physik« bezeichnet. Den Zweig der Physik, der diese drei einfachen kleinen Vorgänge (den einfachsten Teil) herausfand, nennt man »Grundlagenphysik« – eine Bezeichnung, die wir uns angeeignet haben, um den anderen Physikern ein Gefühl des Unbehagens einzujagen! Die interessantesten – und für die Praxis zweifellos wichtigsten – Probleme fallen heute offensichtlich in der Festkörperphysik an. Nichts aber ist laut einem klugen Ausspruch so praktisch wie eine gute Theorie, und die Theorie der Quantenelektrodynamik ist nun einmal unbestreitbar eine gute Theorie!
    Zum Schluß möchte ich noch einmal auf die Zahl 1,00115965221 zurückkommen, die, wie ich Ihnen schon in der ersten Vorlesung erzählte, mit größter Genauigkeit gemessen und berechnet worden ist. Diese Zahl – das »magnetische Moment« – stellt gewissermaßen die Antwort eines Elektrons auf ein äußeres Magnetfeld dar. Als Dirac die Regeln für die Berechnung dieser Zahl erarbeitete, benutzte er die Formel für E(A nach B) und erhielt eine recht einfache Antwort, die wir in unseren Einheiten als 1 setzen wollen. Das Diagramm für diesen ersten Näherungswert des magnetischen Moments eines Elektrons ist äußerst einfach – ein Elektron bewegt sich in der Raumzeit von einem Ort zu einem anderen und koppelt an ein Photon von einem Magneten (vgl. Abb. 73)

     
    Einige Jahre später entdeckte man, daß dieser Wert nicht genau 1 ist, sondern etwas höher liegt – etwa bei 1,00116. Diese Berichtigung wurde erstmals 1948 von Schwinger auf die Formel j x j geteilt durch 2 pi gebracht. Erforderlich war die Korrektur, weil das Elektron auch auf einem anderen Weg von Ort zu Ort wandern kann: Anstatt sich direkt von einem Punkt zu einem anderen zu begeben, kann es nach einem Stück Wegs plötzlich ein Photon emittieren und dann (o Schreck!) das eigene Photon absorbieren (vgl. Abb. 74), mag so etwas nun »unmoralisch« sein oder nicht! Wollen wir nun den Pfeil für diese Alternative berechnen, müssen wir für jeden Ort in der Raumzeit, an dem das Photon emittiert und für jeden Ort, an dem es absorbiert werden kann, einen Pfeil zeichnen. So erhalten wir zwei weitere E(A nach B)s, ein P(A nach B) und zwei weitere j s, die wir alle miteinander multiplizieren. Diese einfache Berechnung lernen die Studenten im Grundkurs für Quantenelektrodynamik im zweiten Studienjahr.

     
    Doch immer schön langsam: In Experimenten wurde das Verhalten eines Elektrons so genau gemessen, daß wir weitere Möglichkeiten in Rechnung stellen müssen – alle Wege, auf denen das Elektron mit vier extra Kopplungen von Ort zu Ort gehen kann (vgl. Abb. 75). Es hat drei Möglichkeiten, zwei Photonen zu emittieren und zu absorbieren. Hinzu kommt noch eine neue, interessante Möglichkeit (vgl. Abb. 75 ganz rechts): ein Photon wird emittiert, erzeugt ein Positron-Elektron-Paar, dieses vernichtet sich wieder – unerachtet Ihrer »moralischen« Einwände und erzeugt ein neues Photon, das schließlich vom Elektron absorbiert wird. Diese Möglichkeit muß also mit berücksichtigt werden!

     
    Die Berechnung dieses nächsten Terms beschäftigte zwei »unabhängig« voneinander arbeitende Physikerteams zwei Jahre lang, genauer gesagt, drei, denn da ihr Ergebnis geringfügig vom Versuchsergebnis abwich, brauchten sie ein weiteres Jahr, um den Fehler zu finden und die bedrohte Ehre der Theorie zu retten. Merke: Selbst zwei Teams können denselben Fehler machen, wenn sie, wie sich in diesem Fall
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher